TTIP gefährdet Handwerk

Die Deutschen Mittelstands-Nachrichten berichtete am 9. Juni von der Gefahr, die auch den regionalen Handwerksbetrieben droht:

TTIP gefährdet regionale Handwerksunternehmen

Im Zuge der TTIP-Verhandlungen soll Unternehmen der Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen im Partnerland erleichtert werden. Das könnte für Europas Handwerksunternehmen gefährlich werden. Diese gehören meist zum Mittelstand und verfügen nicht über die notwendigen finanziellen Spielräume um verstärkt an derartigen Ausschreibungen teilnehmen zu können. Großunternehmen aus den USA beispielsweise gibt es auch im Handwerk und diese würden tatsächlich von den einfacheren Zugängen profitieren und heimische Betriebe verdrängen.

Im vergangenen Jahr entfielen lediglich 7,8 Prozent des Gesamtumsatzes der österreichischen Handwerksunternehmen auf Exporte. Den Großteil ihres Umsatzes erwirtschafteten diese im Inland. Entsprechend selten wird über die Auswirkungen von Handelsabkommen wie CETA und TTIP auf die Handwerksbranche gesprochen. Doch diese macht einen großen Teil des Mittelstandes aus und könnte sehr wohl unter TTIP leiden.

In diesem Zusammenhang warnt nun die Initiative „KMU gegen TTIP“ vor „gravierenden Eingriffen“. So wird bei den aktuellen TTIP-Verhandlungen beispielsweise auch über einen leichteren Zugang ausländischer Unternehmen zum öffentlichen Beschaffungswesen beraten. Ziel ist es, die „Buy-local“-Regelungen zu entfernen. Das würde die österreichischen Handwerksbetriebe stark treffen, denn „Handwerksunternehmen haben gar nicht die Kapazitäten, sich an internationalen Ausschreibungen zu beteiligen“, warnt Lisa Muhr des Unternehmens „Göttin des Glücks“. Muhr gehört zu den „KMU gegen TTIP“-Initiatoren der ersten Stunde. Stattdessen wäre es aber für international tätige Unternehmen dann noch leichter, in den österreichischen Markt zu drängen.

Auch in Sachen Qualität könnte es Einbußen geben, fürchtet der Mittelstand. „Sollte der Meisterzwang von Seiten der USA als diskriminierende Qualifizierungsanforderung angesehen werden, dann würde das über kurz oder lang das Ende des Meisterbriefes bedeuten“, sagt Schreinermeister Rainer Söntgerath, Geschäftsführer der WOHN-ROOM Innenausbau GmbH. Denn dann dürften US-Amerikanische Handwerker und Unternehmen auch ohne Meisterbrief ihre Leistungen in Deutschland anbieten – der Wettbewerb wäre ungleich und die Transparenz für den Kunden verloren, so Söntegerath. Aktuell muss in 41 Handwerksberufen einen Meisterbrief vorgewiesene werden, um sich selbstständig machen zu können.

Dabei geht es eben hier nicht nur um Handwerksbetriebe im Sinne von Schreinern etc. Vielmehr betrifft TTIP dies auch Handwerksunternehmen in der Lebensmittelproduktion, wie etwa Fleischer, Bäcker, Käsereien und etliche mehr. „Als Bio-Kräuter- und Gewürzmarke sehe ich die Gefahren, dass mit TTIP und CETA die Kennzeichnungspflicht von gentechnisch produzierten Lebensmitteln und geschützte Herkunftsbezeichnungen wegfallen“, sagt Johannes Gutmann von Sonnentor. „Was für TTIP gilt, gilt auch für CETA“, so Gutmann. „Sowohl in den USA als auch in Kanada wird Gentechnik groß geschrieben.“

Der Blick in die Verhandlungsdokumente, den Greenpeace vor kurzem gewährte, zeigte, dass die USA sich sehr stark darauf konzentrieren, gentechnisch veränderte Produkte wie Lebens- und Nahrungsmittel in die EU nach TTIP einführen zu können. Für die USA ist einer der zentralen Punkte für TTIP der bessere Zugang von landwirtschaftlichen Produkten aus den USA in die EU. Bisher wurden vor allem gentechnisch veränderte Produkte nicht zugelassen. Und die EU-Kommission betonte, dass dies auch mit TTIP nicht geschehe. Doch das soll sich, so wünschen es die USA, bald ändern. Im Kapitel Landwirtschaft werden dafür die Grundlagen gelegt:

„Die Parteien sollten daran arbeiten, die internationale, landwirtschaftliche Entwicklung zu fördern und die globale Ernährungssicherheit zu verbessern: (…)

  • indem sie ungerechtfertigte Handelsmaßnahmen vermeiden, die die weltweiten Lebensmittelpreise in die Höhe treiben oder Preisschwankungen erhöhen, insbesondere durch die Vermeidung von Ausfuhr-Steuern. (…)
  • durch die Förderung und Unterstützung der Forschung und Bildung, um neue, innovative landwirtschaftliche Produkte und Strategien zu entwickeln (…)“ (Article X.2)

Im Kapitel „sanitäre und phytosanitäre Standards“ werden die USA deutlicher. Trotzdem es der EU-Kommission zufolge keine Gentechnik-Produkte mit TTIP geben soll, haben die USA mehrere Passagen zum Thema Import von „Produkten moderner, landwirtschaftlicher Technologie“ in den Dokumenten festgehalten. Dort, „wo eine Zulassung eines Produktes moderner, landwirtschaftlicher Technologie für den Import notwendig ist (…), soll auch jederzeit durch jeden eine Zulassung beantragt werden können“.

Die Studie des Instituts für Höhere Studien in Wien kommt zu dem Schluss: „Für den österreichischen Landwirtschafts- und Nahrungsmittelsektor ergeben sich in den berechneten Szenarien signifikant negative Handelseffekte, da in den meisten Sektoren die Importe aus den USA stärker zulegen würden als die vergleichbaren Exporte aus Österreich in die USA. (…) Wie in der Landwirtschaft ergibt sich auch für die Nahrungsmittelindustrie ein deutliches Muster: Unternehmen in den beiden kleinsten Größenklassen (0–9 und 10–19 Beschäftigte) treten aus dem Markt aus oder wachsen, während die Anzahl der größeren Unternehmen trendhaft steigt. Die Folge ist eine zunehmende Konzentration in der Nahrungsmittelindustrie – so wie dies auch in vielen anderen Branchen zu beobachten ist.