Was kommt nach Straßburg?

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Straßburg, 15. Februar 2017 | Tag der CETA-Abstimmung im EU-Parlament. Demo und Kundgebung waren sehr kurzfristig anberaumt und angekündigt worden – so dass vor dem Parlamentsgebäude wohl mehr Polizisten standen als DemonstrantInnen. Um die 500 Leute dürften gewesen sein, ein Klacks im Vergleich zu den Demos der letzten Jahre. Zudem ist Mittwoch, ein Arbeitstag.

Umso erstaunlicher, dass Leute noch viele längere Wege zurückgelegt hatten als wir: Aus Spanien seien sie gekommen, erzählte ein Redner. Aus Wien war ein Bus angereist. Ein Vertreter der Bewegung in der Wallonie versprach, dass der Widerstand dort weitergehe. Aus Oberbayern war eine Delegation der Initiative Stopp TTIP Berchtesgadener Land/Traunstein da.

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Die HauptrednerInnen (siehe Videos ganz unten) hoben auf Englisch und Französisch hervor, dass trotz des Ergebnisses im Parlament (408 EU-Abgeordnete stimmen für CETA, 254 dagegen, 35 enthalten sich oder sind nicht da) Optimismus gerechtfertigt sei. „Wir haben eine Abstimmung verloren, weitere 38 stehen aber noch bevor“, sagten sie. Lehne auch nur ein Parlament der 28 EU-Mitgliedsstaaten den Vertrag ab, sei CETA erledigt. Außerdem: Hätte das EU-Parlament vor drei Jahren ein Votum abgegeben, wären wohl 600 dafür und nur hundert dagegen gewesen. Der Kampf werde daher weitergehen.

Übrigens: Vor allem konservative und wirtschaftsliberale Abgeordneten votierten für CETA, außerdem viele SozialdemokratInnen. Von den 27 SPD-EU-Abgeordneten haben lediglich 5 gegen CETA gestimmt, darunter Evelyne Gebhardt aus Baden-Württemberg. Und der zweite baden-württembergische SPD-MdEP, Peter Simon, hat sich der Stimme enthalten. Ein Erfolg unserer Postkartenaktion? (pw)

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Und hier noch eine Einschätzung der Kampagnenplattform Campact.de:

Zum Glück war das Europäische Parlament aber nur eine von vielen Hürden! Wir können CETA immer noch zum Scheitern bringen. Als nächstes müssen nämlich alle 28 EU-Mitgliedsländer zustimmen. Wenn nur eines davon CETA ablehnt, ist der Vertrag insgesamt am Ende. Und: Die besonders umstrittenen Investorenklagen treten erst in Kraft, wenn alle EU-Mitgliedsländer CETA letztlich zugestimmt haben.strass12

In Deutschland haben wir eine gute Chance, CETA im Bundesrat zu stoppen. Die dortigen Mehrheitsverhältnisse sind auf unserer Seite, da Grüne und Die Linke an 12 von 16 Landesregierungen beteiligt sind. Wenn sie bei der Abstimmung im Bundesrat bei ihrem Nein bleiben, hat CETA keine Chance.

Wie sich Grüne und Linke in den einzelnen Ländern verhalten werden, ist allerdings noch nicht ausgemacht (eine genaue Analyse findet sich hier: hier). Mehrheitlich haben sie sich kritisch geäußert, aber nicht alle haben sich festlegen wollen. Widersprüchliche Äußerungen kommen insbesondere aus dem grün-schwarz regierten Baden-Württemberg. Der Landesvorstand der Grünen äußert sich eindeutig ablehnend zu CETA. Sowohl in ihrem Programm zur Landtagswahl 2016 als auch auf unsere Anfrage für die Wahlprüfsteine zur Landtagswahl haben die Grünen klar Stellung bezogen.

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Ministerpräsident Winfried Kretschmann hingegen will sich im Gespräch mit Campact aber nicht an die klaren Aussagen im Wahlprogramm der Grünen gebunden sehen. Auch eine eindeutige Antwort zum Abstimmungsverhalten im Bundesrat verweigert er – trotz mehrmaligen Nachfragens.

CETA wird in diesen Tagen von seinen BefürworterInnen als das fortschrittlichste Handelsabkommen gepriesen, das die EU je ausgehandelt habe. Das Gegenteil trifft zu: CETA verengt den Spielraum von Parlamenten und Regierungen für Zukunftsaufgaben wie den Klimawandel, eine gerechtere Besteuerung von Unternehmen oder besseren Verbraucherschutz. Das ist ein Rückschritt:

• Sonderklagerechte für Konzerne: CETA enthält einen unnötig weitreichenden Schutz der „legitimen Erwartungen“ von Investoren, sowie vor „indirekter Enteignung“. Mit Hilfe dieser Paragrafen können InvestorInnen gegen jede Form staatlichen Handelns Klage erheben, das ihre Gewinne schmälert. Wenn wir die oben genannten wichtigen Zukunftsaufgaben angehen wollen, riskieren wir dank CETA Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe.

• Standards in Gefahr: Massive Einfuhrquoten für kanadisches Rind- und Schweinefleisch erhöhen den Wettbewerbsdruck. Dadurch drohen schlechtere Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne in der Fleischverarbeitung. Die bäuerliche Landwirtschaft sowie die Qualität und Sicherheit der Fleischprodukte für europäische Verbraucher/innen stehen auf dem Spiel.

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• Erstmaliger Einsatz eines „Negativ-Listen“-Ansatzes: Das bedeutet, dass automatisch alle Wirtschaftssektoren zur Liberalisierung frei gegeben werden, es sei denn, es wird explizit eine Ausnahme dafür aufgelistet. Öffentliche Dienstleistungen drohen einer umfassenden Liberalisierung unterworfen zu werden und die Rekommunalisierung bereits privatisierter Sektoren wird erheblich erschwert.

• Beschneidung der Parlamente: Ein gemischter CETA-Ausschuss soll existierende und zukünftige Regeln prüfen mit dem Ziel, diese in der EU und Kanada weiter anzugleichen. So geraten Standards in Gefahr, gesenkt zu werden. Der Ausschuss kann das Abkommen sogar nach Inkrafttreten noch ändern – ohne, dass irgendein Parlament dem zustimmt!

Deshalb werden wir CETA weiter bekämpfen. Die Niederlage im Europäischen Parlament war nur eine Etappe. Jetzt blicken wir nach vorne und werden alles Erdenkliche tun, CETA im Bundesrat aufzuhalten.

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Fotos: pw