Zehn Punkte zu einer anderen Handelspolitik

EPA-Stop

Seit zweieinhalb Jahren arbeitet unser Konstanzer Bündnis gegen die geplanten Handelsabkommen TTIP, CETA und TiSA. Aber reicht es aus, gegen diese spezifischen Abkommen zu sein? Müsse sich der Widerstand nicht längst auf die noch reichlich unbekannten, aber nicht minder gefährlichen anderen Abkommen (wie den mit Japan, Mexiko, Indonesien usw.) ausweiten? Und was ist mit den Economic Partnerships Agreements (EPAs), mit denen die EU die subsaharischen Staaten Afrikas über den Tisch zieht? Müssten wir nicht einmal beschreiben, wofür wir sind, welche Art von Handelspolitik uns vorschwebt? Hier ein Versuch in zehn Punkten.

1. Demokratisch und transparent

Eine zukunftsfähige Handelspolitik ist nur dann möglich, wenn die BürgerInnen von Anfang an über die Ziele neuer Verträge informiert werden und wenn die Parlamente über die Ausrichtung der Handelspolitik mitbestimmen können. Dazu gehört, dass das Europaparlament über Verhandlungsmandate öffentlich debattiert und schließlich darüber entscheidet: Sollen neue Verhandlungen überhaupt aufgenommen werden? Welche Ziele sollen mit ihnen verfolgt werden?

Das Mandat für diese Verhandlungen muss klar sein: Das geht nur durch eine öffentliche Diskussion – einerseits mit den Organisationen der Zivilgesellschaft (wie Umweltgruppen, Verbraucherschutzinitiativen, Sozialverbände, Gewerkschaften), andererseits durch Debatten in den nationalen Parlamenten. Die Auswirkungen der Abkommen müssen regelmäßig überprüft werden, sowohl im Vorfeld als auch nach Inkrafttreten. Die Verhandlungen müssen transparent ablaufen; dazu gehört, dass alle Verhandlungsdokumente veröffentlicht werden.

2. Keine Sonderklagerechte für Konzerne

Es braucht keine Sonderklagerechte für Konzerne. Viele bilateralen Freihandelsabkommen enthalten Klauseln, die es multinationalen Unternehmen ermöglichen, Staaten vor privaten Schiedsstellen auf Entschädigung zu verklagen, falls diese Schutzbestimmungen für Mensch und Natur erlassen. Dieses Klagerechte haben nur ausländische Unternehmen. Es gefährdet die Demokratie und verhindert die Umsetzung gesellschaftlicher Ziele. Alle Handels- und Investitionsverträge, die das Sonderklagerecht enthalten, sind zu kündigen.

Die bisherigen Reformvorschläge der EU-Kommission (Investitionsgerichte statt der geheim tagenden, mit Anwälten besetzten Schiedsstellen) stellen keine substanzielle Verbesserung dar, sondern zielen darauf ab, das Sonderklagerecht auszubauen.

3. Ein Beitrag zum Schutz der Menschenrechte

Wir brauchen eine Handelspolitik, die die Menschenrechte schützt – und zwar entlang der gesamten Lieferkette, also von der Erzeugung über den Transport bis hin zum Verkauf. Multinationale Mutterkonzerne sollen verbindlich verpflichtet werden, ihre Tochterfirmen und die von ihnen beauftragten Subunternehmen zu kontrollieren. Zudem sollen sie für Menschenrechtsverletzungen auch dann haftbar sein, wenn die Verstöße im Ausland begangen wurden.

Die von den Firmen stets versprochene unternehmerische Sorgfaltspflicht muss gewährleistet werden. Betroffene von Menschenrechtsverletzungen müssen einen leichten Zugang zu rechtlichen Mitteln erhalten. Dafür wäre ein rechtsverbindlicher Uno-Vertrag zur Ahndung von Menschenrechtsverletzungen durch transnationale Unternehmen sinnvoll. Darüber hinaus muss es Staaten erlaubt sein, ihre Verpflichtungen aus Handelsverträgen auszusetzen, wenn dadurch Menschenrechtsverletzungen begangen werden, also wenn beispielsweise durch Liberalisierungen KleinbäuerInnen in ihrer Existenz bedroht sind. Mit Abschluss der Verhandlungen sollen den Abkommen außerdem verbindliche Aktionspläne zur Durchsetzung der Menschenrechte beigefügt werden.

In der Schweiz kommt demnächst die Konzernverantwortungsinitiative zur Abstimmung, derzufolge Multis in der Schweiz angeklagt werden können, die im Globalen Süden die Natur zerstören, Gewerkschaftsrechte mißachten, Bürgerrechte mit Füssen treten.

4. Keine Einschränkung von Standards

Umwelt- und Sozialstandards dürfen nicht als Handelshemmnisse eingestuft werden; ein Abbau dieser Standards ist nicht verhandelbar. Das im EU-Recht verankerte Vorsorgeprinzip muss in bilateralen Abkommen und in der Welthandelsorganisation WTO festgeschrieben werden.

Der Abschluss von Handelsabkommen sollte prinzipiell an die Einhaltung – und nicht nur die Unterzeichnung – von Arbeitnehmerrechten und internationalen Umweltnormen gekoppelt werden. Die zahnlosen Nachhaltigkeitskapitel bisheriger Handelsabkommen sollen verbindlich und einklagbar gemacht werden. Statt einer regulatorischen Kooperation, die am Gesetzgeber (also an den Parlamenten) vorbei Entscheidungen trifft, die Einflussnahme der Industrie erhöht und eine Harmonisierung nach unten befördert, brauchen wir einen Mechanismus für den Wettlauf um höhere Standards.

Überdies dürfen Handelsabkommen nur mit Staaten vereinbart werden, die die acht Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) der Vereinten Nationen (wie Organisationsfreiheit der Beschäftigten, keine Zwangs- und Kinderarbeit) ratifiziert haben  – und auch einhalten.

5. Aktiver Beitrag zur Erreichung der Uno-Klimaziele

Die drohende Klimakatastrophe erfordert eine andere Handelspolitik. Handelsabkommen dürfen den Ausbau von Erneuerbaren Energien nicht behindern. CO2-Ziele und die Abschaffung der Subventionen für fossile Energie könnten zur Vorbedingung eines Abschlusses von Handelsverhandlungen gemacht werden.

Der Ausbau von Erneuerbaren Energien darf nicht behindert werden. Viele Länder des Globalen Südens fördern durch Vorgaben für anteilige lokale Wertschöpfung den Aufbau ihrer heimischen Industrie. Subventionen für Erneuerbare können insbesondere in der Anfangszeit sinnvoll sein – die in TiSA vorgeschlagene „Neutralität“ verschiedener Energiequellen ist hierfür kontraproduktiv. Ein steuerlicher Grenzausgleich für CO2-intensive Produkte wie Zement und Stahl ist nur dann sinnvoll, wenn es entsprechende Maßnahmen zum Klimaschutz gibt. CO2-Ziele und die Abschaffung von Subventionen für fossile Energie könnten zur Vorbedingung eines Handelsabkommens gemacht werden.

6. Förderung nachhaltiger Landwirtschaft 

Es braucht eine Abkehr von der auf Export ausgerichteten Landwirtschaft und der exportorientierten Lebensmittelindustrie. Die gegenseitige Anerkennung von Standards darf nicht dazu führen, dass Schutzniveaus nach unten geschraubt werden.

Die jetzige Handelspolitik führt zu einer stärkeren Konzentration der Agrarproduktion und der industriellen Herstellung von Agrarprodukten. In den Ländern des Globalen Nordens braucht es eine Abkehr von pauschalen Subventionen für landwirtschaftliche Erzeugnisse; davon profitieren vor allen Dingen exportstarke Unternehmen. Stattdessen sollten Leistungen honoriert werden, die der Gesellschaft nutzen – wie beispielsweise Erhalt und Pflege von Landschaft und biologischer Vielfalt.

7. Handelspolitik muss die Regulierung von Finanzmärkten ermöglichen und  Steuerschlupflöcher stopfen

Staaten verlieren Unsummen an Steuergeldern durch Steuervermeidung, insbesondere durch die Manipulation bei Verrechnungspreisen zwischen Konzerngesellschaften. Handelsabkommen müssen Vorgaben zur Steuerkooperation enthalten, die diese Trickserei unterbinden. Sinnvoll wäre etwa eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Besteuerung von Unternehmen als Voraussetzung für den Abschluss eines Handelsabkommens. Vonnöten sind zudem Mindeststandards für die Bekämpfung von Geldwäsche. Handelsabkommen dürfen die Regulierung von Finanzmärkten nicht erschweren.

8. Handelspolitik muss gerecht sein – vor allem für den Globalen Süden

Handelsabkommen dürfen nicht dazu führen, dass der politische Handlungsspielraum der ärmeren Länder eingeschränkt wird. Damit die heimischen Märkte nicht durch die leistungsstarke Konkurrenz aus dem Globalen Norden zerstört werden, sollen Entwicklungsländer geringere Verpflichtungen zur Marktöffnung eingehen als Industriestaaten. Der Zugang zu Medikamenten oder zu Saatgut ist lebenswichtig, vor allem für die Ärmsten – er darf nicht durch restriktive Regeln bei geistigem Eigentum (Patente) eingeschränkt werden. Eine reformierte Welthandelsorganisation sollte der Ort von Verhandlungen über weitere Schritte in der Handelspolitik sein – damit alle mit am Tisch sitzen.

9. Handelspolitik darf die öffentliche Daseinsvorsorge nicht beeinträchtigen

Handelsabkommen dürfen keine Regeln enthalten, die Privatisierungen der kommunalen Daseinsvorsorge fördern und eine Rekommunalisierung verhindern. Trinkwasserversorgung, Abfallentsorgung, das Bildungswesen, das Gesundheitssystem, öffentliche Kultureinrichtungen, Energieversorgung, öffentlicher Verkehr – all das gesellschaftliche Dienstleistungen, die sinnvollerweise nur gemeinwirtschaftlich betrieben werden sollen. Von daher ist das Dienstleistungsabkommen TiSA abzulehnen.

10. Handelspolitik muss grundsätzlich neu ausgerichtet werden

Es muss wieder mehr Spielraum für Regulierung im öffentlichen Interesse möglich sein; die geplanten Handelsabkommen schränken die politischen Handlungsmöglichkeiten dagegen weiter ein. Handelspolitik muss den Raubbau an der Natur unterbinden und dafür sorgen, dass der durch die Globalisierung erzeugte Reichtum gerechter verteilt wird. Dazu gehören etwa eine progressive Lohnpolitik, ausreichend hohe Mindestlöhne, ein Klagerecht (auch hierzulande) bei Firmenverstößen gegen Umwelt- und Sozialstandards.

Textentwurf: campact.de, Bearbeitung: Pit Wuhrer