CETA, Trump und die Folgen

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Viele Konservative, Liberale und Sozialdemokraten halten CETA für eine wirkungsvolle Medizin gegen Trumps Protektionismus. Leider ist es die falsche.

Von Wolfgang Kessler

Dieser Beitrag erschien Mitte Februar in der Zeitschrift „Publik-Forum“.

Erwartet habe ich dies seit Langem, geärgert hat es mich trotzdem: Nach der Zustimmung der deutschen Sozialdemokraten und nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die US-Wirtschaft durch Handelszölle zu schützen, war eigentlich klar, dass das EU-Parlament das Abkommen billigen würde.

Verstehen kann ich es dennoch nicht. Selbst wenn die Europäische Union jetzt mehr nach Kanada exportiert, ist das Abkommen weit von einem fairen Vertrag entfernt. Es ist ein Freihandelsabkommen, das Konzernen mehr Rechte einräumt, Arbeitnehmern und Verbrauchern eben nicht. Und dies trotz aller Korrekturen, die an dem Abkommen bis zuletzt vorgenommen wurden. Und dies, obwohl manche Teile wie der Investorenschutz erst in Kraft treten werden, wenn das Abkommen von nationalen und regionalen Parlamenten ratifiziert wurde.

Klagen gegen Umweltgesetze und Gesundheitsvorschriften

So konnten private Schiedsgerichte zwar verhindert werden. Allerdings werden jetzt öffentliche Gerichte geschaffen, die nur für den Schutz der Investoren zuständig sein werden. Laut CETA-Vertrag können Konzerne mit Sitz in Kanada gegen Regierungen klagen, wenn zum Beispiel Sozial- oder Umweltgesetze deren „legitimen Gewinnerwartungen“ beeinträchtigen.

Auf die gleiche Art und Weise können Konzerne auch gegen neue Regeln für Banken klagen – oder gegen soziale Verpflichtungen von privaten Dienstleistern. Gerade wurde die Slowakei zur Zahlung von 22 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt, weil private Krankenversicherer verpflichtet worden waren, gemeinwohlorientiert und nicht renditeorientiert zu arbeiten. Dies könnte unter CETA zum Muster werden.

US-Konzerne profitierten von Trump und von CETA

Und niemand soll glauben, dies gelte nur für kanadische Unternehmen. Auch viele US-Konzerne haben Beteiligungen in Kanada. Sie könnten von den Abkommen doppelt profitieren. In den USA werden sie eventuell von Einfuhrzöllen für europäische Konzerne geschützt. Gleichzeitig können sie über CETA in Europa ihre „legitimen Gewinnerwartungen“ einklagen. Ein Gremium für genmanipuliertes Essen

Obwohl die Befürworter von CETA immer wieder betonen, dass durch das Abkommen soziale und ökologische Standards gewahrt seien, gibt es keinerlei einklagbaren Rechte für Arbeitnehmer. Kanada und die Europäische Union werden nicht einmal verpflichtet, alle acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation zu ratifizieren. Es gibt keine rechtlichen Möglichkeiten, Umweltstandards durchzusetzen. Stattdessen verweist der Professor Klaus Buchner, einziger EU-Abgeordneter der Ökologischen Demokratischen Partei (ÖDP) darauf, dass „durch das in CETA vorgesehene Joint Committee Mitgliedstaaten unter Druck setzten kann, um Fracking oder den Import von Öl aus kanadischen Teersanden zu erlauben“. Zudem sieht der Vertragstext, so Buchner, „ein Gremium zur Markteinführung genmanipulierten Essens vor“.

Politiker entmachten sich selbst

Es ist immer wieder erstaunlich, wie unbekümmert gewählte Politikerinnen und Politiker Macht und Einfluss an die Führung von Konzernen abtreten. So sieht das CETA-Abkommen eine sogenannte regulatorische Kooperation vor. Danach soll jedes Gesetz, das Handelsfragen berührt, zuerst von bestimmten Gremien daraufhin überprüft werden, ob es mit CETA vereinbar ist – erst danach soll es ins Parlament. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als eine teilweise Entmachtung der Parlamente. Und was reitet eigentlich Politiker, einem Abkommen zuzustimmen, das es Konzernen erlaubt, gegen neue Umweltvorschriften einer Landesregierung zu klagen?

Donald Trump, der Freihandel und der Fair Trade

Und das allerschlimmste ist, dass CETA-Kritiker inzwischen gerne an die Seite von Donald Trump gestellt werden. Dabei ist kaum jemand von ihnen gegen Handel, solange er auf sozialen und ökologischen Standards beruht. Vorschläge dazu gab es. So hat der französische Ökonom Thomas Piketty vorgeschlagen, doch Handelserleichterungen nur Konzernen zu gewähren, die ein Mindestmaß an Steuern bezahlen und ihre Emissionen an Treibhausgasen reduzieren. Doch solche Vorschläge für einen Fair Trade wurden nicht einmal diskutiert. Stattdessen geht es der Mehrheit in der Politik offenbar um ein Abkommen, das einen Kapitalismus mit möglichst wenigen Einschränkungen festzurrt. Gut ist, dass jetzt noch 38 nationale und regionale Parlamente zustimmen müssen. Die Gefahr ist, dass widerständige Parlamente in kleineren Staaten genauso weich gekocht werden wie vor Kurzem die Wallonen.

kessler

Wolfgang Kessler ist Ökonom und Chefredakteur von Publik-Forum. Er schrieb das Buch „Zukunft statt Zocken“ und verantwortet das Publik-Forum-Dossier „CETA, TTIP, TISA stoppen – Fairhandel statt Freihandel“