TTIP vor der Auferstehung

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Auch wenn Donald Trump auf den diversen Gipfeln der letzten Tage keine Zusagen machte: Seine Regierung denkt über die Reanimierung der transatlantischen Handelsgespräche nach. Das schreibt jedenfalls die Tageszeitung „Die Welt“.

Von Nikolaus Doll

In der amerikanischen Regierung deutet sich ein Umdenken in internationalen Handelsfragen an – und damit womöglich eine Abkehr des unter Präsident Donald Trump eingeschlagenen Weges Richtung Protektionismus. In den Gesprächen, die Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) am Dienstag und Mittwoch in Washington geführt hat, signalisierten amerikanische Regierungsvertreter ein grundsätzliches Interesse daran, mit den Europäern erneut über ein Freihandelsabkommen zu sprechen.

Eine der ersten Amtshandlungen von Präsident Trump nach seiner Wahl im November vergangenen Jahres war gewesen, das bereits ausgehandelte Freihandelsabkommen TTP mit einer Reihe asiatischer Staaten zu beerdigen. Die parallel laufenden Gespräche zwischen den USA und der Europäischen Union (EU) über ein umfassendes Freihandelsabkommen der beiden Wirtschaftsräume mit dem Namen TTIP waren nach Trumps Amtseinführung stillschweigend auf Eis gelegt worden.

Trump und eine Reihe seiner Wirtschaftsberater halten nichts von Freihandelsabkommen mit Staatengruppen; sie setzen auf bilaterale Verträge. Der Präsident macht internationale Handelsabkommen für die Schwächen der US-Wirtschaft verantwortlich. Sie seien oft zum Nachteil Amerikas abgeschlossen worden. „Gerade Deutschland hat sehr gut verhandelt“, sagte Trump jüngst. Wobei er unterschlägt, dass Handelsabkommen nicht Deutschland, sondern die EU abschließt.

Nun sagte US-Handelsminister Wilbur Ross nach einem knapp einstündigen Gespräch mit seiner deutschen Amtskollegin: „Es gibt einen Grund, warum wir aus TTP ausgestiegen sind und nicht aus TTIP.“ Und Wirtschaftsministerin Zypries erklärte: „Es wird in der US-Regierung überlegt, TTIP wieder aufzugreifen. Aber es gibt in Washington noch keine festen Beschlüsse dazu.“ Nach ihrer Ansicht hätte andere Themen derzeit Vorrang.

TTIP 2.0 mit anderem Namen

Zypries’ Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) bestätigte nach weiteren Gesprächsrunden in Washington, dass die Amerikaner „grundsätzlich Interesse an TTIP gezeigt“ hätten. Kurzfristig stünden für die US-Regierung allerdings die Neuverhandlungen des Freihandelsabkommens Nafta mit Mexiko und Kanada ganz oben auf der Agenda. „Gespräche über eine neues TTIP könnten frühestens 2018 beginnen“, sagte Machnig.

Donald Trumps Regierung ist immer noch dabei, sich zu sammeln und die Posten in Ministerien und anderen Gremien von der Spitze bis zur Fachebene neu zu besetzen. Dabei gibt es im Trump-Lager Hardliner, die einen streng protektionistischen Kurs verfolgen und von Freihandel nichts halten. Auf der anderen Seite stehen die „Globalisierer“, die eher offen für multinationale Handelsabkommen sind. Was TTIP angeht, gibt es nun aber offenbar eine ganze Reihe von Topleuten in Trumps Regierung, die sich eine Wiederaufnahme der Gespräche mit den Europäern vorstellen könnten – freilich unter neuen Vorzeichen.

 

Selbst Paul Ryan, der Sprecher des Repräsentantenhauses und Republikaner, erklärte nach einem Treffen mit Zypries, dass er ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union befürworten würde. Ryan ist mit Präsident Trump nicht immer einer Meinung, in Handelsfragen gilt er allerdings als besonders scharfer Verfechter amerikanischer Interessen. Er hat die Idee, ausländische Hersteller für Importe in die USA eine Grenzsteuer zahlen zu lassen, maßgeblich vorangetrieben.

Freihandelsabkommen sieht Ryan offenbar pragmatischer – und positiver, wenn sie den USA nutzen. Was ein weiteres Verfahren angehe, müsste ein TTIP 2.0 in den USA als binationales Abkommen, also eines zwischen zwei Seiten, dargestellt werden – sonst würde es dafür keine Akzeptanz geben. Für die Europäer wäre TTIP ein solches Abkommen gewesen, weil es zwischen der EU-Kommission und der US-Regierung abgeschlossen worden wäre.

Zuerst Nafta

Kritiker des Freihandels in Amerika sehen darin aber einen Vertrag zwischen den USA und den derzeit noch 28 EU-Mitgliedstaaten, also ein multinationales Abkommen. Und davon wollen konservative Wegbegleiter von Trump nichts wissen. In Verhandlungen mit einzelnen Staaten können nämlich die USA stärker ihre Größe und ihren Einfluss ausspielen – und so günstigere Bedingungen aushandeln.

Der Handelsbeauftragte der US-Regierung, Robert Lighthizer, der in einigen Punkten eine andere Meinung als Ross vertritt, sagte in einem Gespräch mit Zypries, TTIP sei nicht endgültig abgeblasen. Über TTIP könnten Amerikaner und Europäer „erneut reden“.

Aber zuvor sei „noch viel andere Arbeit zu erledigen“. Lighthizer ist maßgeblich für die Verhandlungen von Freihandelsabkommen in der US-Regierung zuständig.

Lighthizer kündigte an, sich zunächst auf Nafta zu konzentrieren. Die Pläne für eine komplette Kündigung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens waren bereits ausgearbeitet, wurden aber auf Druck der US-Agrarlobby nicht umgesetzt. Große Teile der Maisernte der US-Landwirte gehen beispielsweise nach Mexiko. Die Bauern fürchten nach einem Ende von Nafta um diesen wichtigen Absatzmarkt, weil die Mexikaner sicher mit Gegenmaßnahmen reagieren würden. „Wir haben nun noch keinen Fahrplan für die Verhandlungen von Nafta, aber wir haben dafür 90 Tage Zeit“, sagte Lighthizer.

Die Europäer und vor allem die exportorientierten Deutschen sind weiterhin sehr an einem Freihandelsabkommen mit den USA interessiert. Trotz der heftigen Kritik von Nichtregierungsorganisationen an dem Abkommen. Eine Neuauflage von TTIP wird es allerdings nicht geben, hieß es in Regierungskreisen. „Der Prozess müsste vor dem Beginn neuer Gespräche komplett neu aufgesetzt werden“, verlautet aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Nicht einmal mehr der Name TTIP solle noch verwendet werden.

Trotz positiver Signale dürften Gespräche über ein Abkommen, das an Stelle von TTIP treten könnte, schwer werden. Schon bei TTIP selbst waren entscheidende Punkte offen und wurden kontrovers zwischen Amerikanern und Europäern diskutiert.