„Afrika braucht gerechten Handel“

tueb2Das jüngste Gipfeltreffen mit der EU droht Afrika noch weiter in Armut und Abhängigkeit zu drängen. Ein Statement von Heike Hänsel, stellvertretende Vorsitzende und Leiterin des Arbeitskreises Außenpolitik der Fraktion Die Linke im Bundestag. (Im Bild: Heike Hänsel bei einer Aktion in Tübingen, mit dabei sind Mitglieder unseres Bündnisses.)

Man muss sich angesichts des EU-Afrika-Gipfels schon fragen, in welcher Welt der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker lebt. Über das Treffen in Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste, sagte Juncker allen Ernstes, die Europäische Union und Afrika unterhielten eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“. Für viele afrikanische Staaten muss das wie Hohn klingen, denn die Erfahrungen der vergangenen Jahre belegen das genaue Gegenteil.

Bestes Beispiel für die ungleichen Beziehungen zu Lasten Afrikas ist die EU-Handelspolitik und die umstrittenen sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, kurz EPAs. Gegen erheblichen Widerstand afrikanischer Staaten hat die EU-Kommission diese Verträge mit einigen der Mitgliedsstaaten der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas abgeschlossen und sie zu einer Öffnung der Märkte gedrängt. Durch so erpresste Zollsenkungen brechen in den betroffenen Ländern Steuereinnahmen, die wesentlich den Staatshaushalt ausmachen, weg. Sollen die so verursachten Haushaltslücken dann durch Entwicklungsgelder aus der EU gestopft werden, wie das Nichtregierungsorganisationen prognostizieren? Die betroffenen Afrikanischen Staaten wären auf dem Weg in eine neue doppelte Abhängigkeit von der EU: Sie würden auf mehr Hilfsgelder angewiesen sein und zugleich stärker noch als bisher in die globalen Wertschöpfungsketten gedrängt, in denen sie auf ewig als Rohstofflieferanten dienten.

Nicht nur DIE LINKE ist der Ansicht, dass das genau der falsche Weg ist. Kritik kommt von Entwicklungsorganisationen, Gewerkschaften und Kirchen. Afrika braucht angesichts der Jahrhunderte währenden kolonialen Ausbeutung gerechte Handelsstrukturen, die eine selbstbestimmte Entwicklung ermöglichen. Statt weitgehender Marktöffnung für Produkte aus der EU, Schutzzölle für die eigenen Märkte. Die Entwicklung in Europa und etwa in Ostasien war nur durch Schutzmaßnahmen für die eigenen Volkswirtschaften möglich. Doch genau das wird den afrikanischen Staaten durch die EU aggressiv verwehrt. Davon war aber auf diesem Gipfel mit keinem Wort die Rede. Stattdessen will die EU, allen voran die Bundesregierung, nun mit weiteren neoliberalen Konzepten wie Privatisierung, Deregulierung und Rohstoffpartnerschaften, die Länder weiter ausbeuten.

Die „Compacts with Africa“ von G20, Weltbank, Internationalem Währungsfonds und Afrikanischer Entwicklungsbank sollen durch sogenannte „Reformpartnerschaften“ die schon heute wirtschaftlich attraktiveren Länder Afrikas für Direktinvestitionen fit machen. Hierzu werden in steigendem Ausmaß auch Entwicklungsgelder über Instrumente, wie den „European Fund for sustainable development“ (EFSD) und den „External Investment Plan“ (EIP) bereitgestellt. Auf dem Gipfel in Abidjan hieß es nun, bis 2022 würden rund 44 Milliarden Euro Privatinvestitionen nach Afrika kanalisiert. All dies ist ein offensichtlicher Versuch, vor allem dem chinesischen, indischen und US-amerikanischen Einfluss auf dem Kontinent etwas entgegenzusetzen. An soziale und nachhaltige Entwicklungsziele, wie z.B. den sogenannten SDGs sind diese Investitionen nicht geknüpft.

Während es bei den Aussagen zur Wirtschaft- und Handelspolitik also wenig Neues gab, überschattete ein Thema den Gipfel: der unbedingte Wille der EU zur Migrationsabwehr. Immer offener werden finanzielle Anreize wie Entwicklungsgelder und die wirtschaftlichen Abhängigkeiten Afrikas hier genutzt, um die dortigen Staaten zu zwingen, MigrantInnen auf dem Weg nach Europa aufzuhalten. Denn tatsächlich setzt die EU auf eine immer brutalere Abschottungs- und Fluchtbekämpfungspolitik, statt legale Flucht- und Migrationswege zu schaffen, was sich nicht nur in den Gewässern vor Tunesien zeigt. Dafür werden auch Partnerschaften mit Diktaturen eingegangen, die für möglichst unüberwindbare Grenzen ausgerüstet und militärisch ertüchtigt werden. Das skandalöseste Beispiel ist Libyen, deren von der EU gebildete „Regierung“ aus brutalen Milizen freie Hand für Folter, Ausbeutung und Verkauf von Flüchtlingen erhält. Nun wird die selbstgeschaffene Situation erneut missbraucht, um etwaige Interventionen von französischen und deutschen Spezialeinheiten auf libyschem Boden zu legitimieren, für die „Befreiung“ von Flüchtlingen, die dann in andere Lager gebracht werden sollen.

Eine seriöse und menschenwürdige Entwicklungspolitik und die Bekämpfung von Fluchtursachen sehen anders aus. Die Bilanz des EU-Afrika-Gipfels ist also verheerend: Während die dringend benötigte wirtschaftliche und soziale Entwicklung vor Ort verhindert wird, soll noch mehr Geld für Militär und Polizei in Afrika ausgegeben werden. Die Menschen werden auf der Suche nach Perspektiven immer gefährlichere Migrationswege in Kauf nehmen müssen. Die Verantwortung für mehr Armut und mehr Tote liegt in Brüssel und Berlin.