Die Folgen

Was erwartet uns bei den Abkommen wie TTIP, CETA und TiSA?

Wenn von Freihandelsabkommen die Rede ist, denken wir zuerst an die Abschaffung oder deutliche Senkung von Zöllen auf Waren. Unter gleich starken HandelspartnerInnen kann so ein zoll-loser Austausch von Gütern tatsächlich die Wirtschaftsentwicklung begünstigen. Doch um Zölle geht es bei den geplanten Abkommen nicht, jedenfalls nicht in erster Linie. Denn die Zölle zwischen den westlichen Industrienationen sind ohnehin schon niedrig; sie betragen für einzelne Produkte knapp fünf Prozent, zumeist aber liegen sie darunter. Wenn also von Handelshemmnissen die Rede ist, die beseitigt werden müssen, sind nicht Zölle gemeint. Sondern alles, was den freien Handel einschränkt. Und dazu gehört auch vieles, was wir erkämpft haben. Hier ein paar Beispiele:

Umweltschutz

Zur Zeit existiert in der EU ein Fracking-Verbot für Deutschland. Das begreifen viele Unternehmen als ein Handelshemmnis – genauso wie die Einschränkungen bei der Einfuhr genetisch veränderter Organismen, das Verbot bestimmter chemischer Substanzen wie Pestizide über die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV, REACH), Vorschriften zum Klimaschutz, der Handel mit CO2-Zertifikaten und diverse Umweltschutzmaßnahmen.

Verbraucherschutz & Patente

In der EU existiert das Vorsorgeprinzip. Dieses besagt, dass Produkte zunächst auf gesundheitliche Unbedenklichkeit hin untersucht werden müssen, bevor sie in den Handel dürfen. In den USA findet sich das umgekehrte Prinzip – das Nachsorgeprinzip. Hier müssen BürgerInnen Konzernen nachweisen, dass gesundheitliche Schäden durch deren Produkt hervorgerufen wurden – zumeist ein aussichtsloses Unterfangen. Weitere Handelshemmnisse wie die Kennzeichnungspflicht bei Lebensmitteln oder das Verbot von Klontechnologie und Hormoneinsätzen könnten abgeschafft werden.
Insbesondere bei dem in den USA weit verbreiteten Fracking findet sich zahlreiche Fälle, wo hochtoxisches Fracking-Fluid ins Trinkwasser geraten ist. Menschen erkranken. ÄrztInnen stehen dann vor der Aufgabe, ohne Wissen um die toxischen Inhaltstoffe des Fracking-Fluids erkrankte Menschen zu behandeln.
Ein anderes Problem ist der Patentschutz. Konzerne wie Nestlé und Bayer/Monsanto werden über Patente den Lebensmittelmarkt beherrschen. Patente für Medikamente sollen erheblich verlängert werden. Das Gesundheitssystem wird damit noch teurer – viele können sich dann Arzneimittel nicht mehr leisten. Pharmakonzerne sorgen bereits jetzt für massiv hohe Preise für Medikamente gegen AIDS und Hepatitis C.

Öffentliche Daseinsfürsorge

Öffentliche Daseinsfürsorge wie Wasser muss bezahlbar und für alle verfügbar bleiben. Öffentliche Dienstleistungen wie Wasser- und Energieversorgung, Gesundheitssystem, Sozialdienstleistungen, Bildungswesen, Abfallwirtschaft, das öffentliche Beschaffungswesen, Postdienstleistungen, Transport und Verkehr, sozialer Wohnungsbau, Kultureinrichtungen, Kindergärten, Altenheime, werden von staatlichen Institutionen subventioniert oder gänzlich getragen.

Für private InvestorInnen stellt dies ein Handelshemmnis dar, das fallen soll. Über TiSA, dem Abkommen über den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen, streben fünfzig Staaten ein nicht umkehrbares Regelwerk zur unbeschränkten Marktöffnung und beschleunigten Liberalisierung sämtlicher Dienstleistungen an. Es geht dabei um ein One-Way-Ticket in Richtung Privatisierung. Bereits in den 90er Jahren gab es eine Welle von Privatisierungen zur (angeblichen) Sanierung kommunaler Haushalte – insbesondere bei Wasser- und Energiewirtschaft. Die Städte machten fast ausnahmslose schlechte Erfahrungen damit: Höhere Kosten für die Kommunen und die VerbraucherInnen sowie schlechtere Leistungen führten zu einem Umdenken. So nahmen beispielsweise Berlin und Paris die Trinkwasserversorgung wieder in die öffentliche Hand. Das soll künftig nicht möglich sein.

Weitere umstrittene Punkte bei TiSA sind der Datenschutz und eine mögliche Regulierung der Finanzindustrie. So sollen nach dem Willen der USA Daten von Kommunikationsanbietern künftig ungehindert zwischen Ländern ausgetauscht werden können – ohne den bisher strengen Schutz persönlicher Daten. Und auf den Finanzmärkten ist eine weitere Deregulierung vorgesehen.

Arbeit & ArbeiterInnen-Rechte

Mit TiSA werden Schutzklauseln des GATS (General Agreement on Trade in Services) als Handelshürde abgeschafft. Anstatt ganze Betriebe ins Ausland zu verlagern, können Unternehmer Arbeitskräfte aus Billiglohnländern heranholen. Gezahlt wird nach Tarifen und Sozialversicherungsbedingungen des Herkunftslandes. Sobald kein Bedarf mehr besteht, verliert der „Gastarbeiter“ auf Zeit seine Arbeit und Aufenthaltserlaubnis. Noch mehr Dumpinglöhne und Arbeitsplatzverluste sind die Folgen. Gleichzeitig verlieren die Gewerkschaften weiter an Einfluss.

Rechtsstaat & Regulatorischer Rat

Konzerne und Investoren erhalten die Möglichkeit, gegen Städte, Kommunen oder ganze Staaten zu klagen, wenn Handelshemmnisse die zu erwartenden Gewinne bedrohen. Diese werden außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit vor privaten Schiedsgerichten (ISDS) ausgetragen, bei CETA soll ein Investitionsgericht diese Aufgabe übernehmen. Die Urteile der ISDS-Schattengerichte sind rechtlich bindend, eine Revisionsmöglichkeit nicht möglich.

 

Hier eine einfache Erläuterung des Investor-Staat-Schlichtungsverfahren ISDS:


Der prophylaktische Effekt dieses Systems: Die Politik wird Vorhaben, die sich als Handelshemmnis herausstellen könnten, bereits frühzeitig im Keim ersticken, um potenziellen Klagen aus dem Wege zu gehen. Somit werden zukünftige Vorhaben zum Verbraucher-, Umwelt-, Beschäftigten- und/oder Datenschutz unmöglich: Der Weg in einer bessere Zukunft wäre verbaut.
Neben einer Paralleljustiz soll es eine sogenannte Regulatorische Kooperation geben. Über den Regulatorischen Rat erhalten internationale Lobbyverbände und ausländische BehördenvertreterInnen die Möglichkeit, bei der nationalen Gesetzgebung maßgeblich mitzumischen. Bis hinunter auf die kommunale Ebene sollen gesetzliche Vorhaben zensiert werden können, weil sie den regulatorischen Gremien vorgelegt werden müssen. Das ist beispielsweise bei CETA vorgesehen. Diese Gremien können übrigens die Verträge fortschreiben, das heißt verändern – ohne Rücksprache mit den nationalen Parlamenten. Ein Sonderausschuss, der sich mit dem Abbau von Handelshemmnissen im Bereich Verbraucher- und Umweltschutz befasst, ist der Gemischte Verwaltungsausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (Joint Management Committee on Sanitary and Phytosanitary Measures, JMC-SPS). Wie alle CETA-Ausschüsse arbeitet er geheim, wird von VertreterInnen der kanadischen Regierung und der EU-Kommission geleitet und ist gehalten, zur Beratung Interessensgruppen hinzuzuziehen. Ziel seiner Bemühung ist es, eine Einigung durch Angleichung oder gegenseitige Anerkennung unterschiedlicher gesetzlicher Standards herbeizuführen, die von den Vertragsparteien Kanada und EU rechtlich nachzuvollziehen ist. Aus Sitzungsdokumenten, die von der kanadischen NGO Council of Canadians veröffentlicht wurden, geht hervor, dass die kanadische Seite nicht nur eine Heraufsetzung der Grenzwerte für Pestizid- und Herbizidrückstände (Dimethoat und Glyphosat) in Lebensmitteln wünscht, sondern eine Abkehr vom gesamten europäischen Vorsorgeprinzip. Der CETA-SPS-Ausschuss beschloss den Unterlagen zufolge, sich aktiv für eine Änderung der EU-Vorschriften einzusetzen. Es bestätigt sich, dass der Abbau von „Handelshemmnissen“ im Rahmen von CETA den Umwelt- und Verbraucherschutz gefährdet.

Datenschutz

Personenbezogene sensible Daten, elektronische Kommunikation und Banktransfer-Daten stehen unter besonderem Schutz. TTIP macht keinen Unterschied zwischen Daten und Waren. Auch dieses Handelshemmnis soll abgeschafft werden. Die Wirtschaft kann somit Konsumverhalten und finanzielle Solvenz besser voraussagen.

Kulturelle Vielfalt

Der Staat schützt Kultur. Buchpreisbindung und Urheberschutz, die finanzielle Förderung von Museen, Theatern, Filmen stellen auch hier ein Handelshemmnis für private Unternehmen dar. Auch deswegen hat der Deutsche Kulturrat als eine der ersten großen angesehenen Institutionen gegen TTIP und die anderen Abkommen protestiert.

Marktkonforme Demokratie

TTIP, TiSA und all die anderen Handelsabkommen wurden und werden hinter verschlossenen Türen verhandelt. Selbst PolitikerInnen, die hinterher über die Verhandlungsergebnisse abstimmen müssen, tappen weitestgehend im Dunkeln. Absicht? Sicher ist jedenfalls, dass sich die EU-Kommission der Industrie gegenüber nicht so zugeknöpft zeigt; das zeigt beispielsweise eine Studie der Transparenzinitiative LobbyControl zum Thema TiSA. Mit anderen Worten: Es geht allein um wirtschaftliche Interessen. Das Wohl der Menschen rangiert viel weiter hinten.

Die wichtigsten Punkte im Film:

 

Weitere Informationen zu den vielen verschiedenen Aspekten der Freihandelsabkommen finden Sie in den ausführlichen, gut dokumentierten Untersuchungen zu den Abkommen.