Darum geht es

Eine ganze Reihe von umfangreichen Handelsabkommen will die EU in nächster Zeit unterzeichnen beziehungsweise ratifizieren. Dazu gehören:

► Das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) mit Kanada. Es wurde im Oktober 2016 von der EU-Spitze und der kanadischen Regierung unterschrieben, im Februar 2017 vom EU-Parlament gutgeheißen und trat im September 2017 teilweise in Kraft – obwohl es in zahlreichen Gutachten und Stellungnahmen von Experten und Verbänden weiterhin scharf kritisiert wird. Da es sich bei CETA um ein sogenanntes gemischtes Abkommen handelt, das in die Belange der Nationalstaaten eingreift, muss es von den Parlamenten aller 28 EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. In Deutschland sind dies der Bundestag und der Bundesrat. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat könnte dort die Ratifizierung scheitern; CETA wäre dann Geschichte. Das ist unsere Chance. Deshalb haben wir dazu den Konstanzer Aufruf gestartet.

Ausführliche Informationen zu CETA gibt es auf der Website des Netzwerks Gerechter Welthandel.

► Das japanisch-europäische Freihandelsabkommen JEFTA wurde im Herbst 2018 unterzeichnet und im Dezember 2018 vom EU-Parlament gutgeheißen – obwohl namhafte Organisationen der öffentlichen Wasserwirtschaft dringend von einer Ratifizierung warnten: Wasser ist keine Ware! Es trat Anfang Februar 2019 in Kraft.

► Das Trade in Services Agreement (TiSA). Über dieses Dienstleistungsabkommen verhandeln derzeit in Genf rund fünfzig Staaten hinter verschlossenen Türen; darunter die Schweiz, die USA, die Türkei, Kanada, Japan, Norwegen, Südkorea, Kolumbien – und die EU. Ziel dieses Abkommens ist die Liberalisierung und Privatisierung vieler öffentlicher Dienstleistungen. Momentan ist es scheinbar in der Versenkung verschwunden; es gilt jedoch als sicher, dass die Marktradikalen nicht locker lassen.

► Das Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) mit den USA soll – wie CETA und viele andere Abkommen – sogenannte Handelshemmnisse (wie Arbeits-, Verbraucher-, Umweltschutz) beseitigen. Nach Donald Trump Wahlsieg wurden die Verhandlungen vorübergehend storniert; im Juli 2018 vereinbarten jedoch die US-Regierung und die EU-Kommission eine Wiederaufnahme der TTIP-Geheimgespräche. Inzwischen hat der Europäischen Rat der Staats- und RegierungschefInnen das Verhandlungsmandat beschlossen.

► Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) mit afrikanischen Staaten. Die Economic Partnerships Agreements sollen die afrikanischen Märkte für Waren aus dem EU-Raum öffnen, schaffen neue neokoloniale Abhängigkeiten und sorgen für Fluchtursachen. Dass vier der fünf regionalen EPAs noch nicht ratifiziert sind, ist allein dem Widerstand afrikanischer Staaten zu verdanken.

► Auch mit Indonesien wird verhandelt (über das geplante Abkommen CEPA), mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay, mit Tunesien sowie mit einem weiteren Dutzend Staaten. Natürlich im Geheimen. All diese geplanten Abkommen (u.a. mit Mexiko, Vietnam, Australien, Neuseeland), so heißt es, würden Arbeitsplätze schaffen und das Wirtschaftswachstum befördern. Tatsächlich jedoch, das zeigen viele Studien, gewinnen nicht die BürgerInnen, sondern die großen, internationalen Konzerne.

Zusammengefasst: Die geplanten Handelsabkommen der EU beschleunigen die Globalisierung, zementieren die Ungleichheiten in völkerrechtlich verbindlichen Verträgen, verschärfen die Kluft zwischen arm und reich, erlauben den internationalen Konzernen einen Zugriff auf unsere demokratisch-parlamentarischen Rechte und zerstören durch die Maxime von noch mehr Wachstum und Wettbewerb den Planeten.

 

Hier drei kurze Video-Einführungen zu CETA, TTIP und TiSA:

Zu CETA:

Zu TTIP:

Zu TiSA:

Diese Abkommen enthalten folgende problematische Punkte:

  • Bei CETA und anderen Handelsabkommen wird der Rechtsstaat durch die Einführung einer Paralleljustiz ausgehöhlt: Multinationale Unternehmen erhalten das Recht, Schadensersatz einzuklagen, wenn sie meinen, dass ihnen aufgrund von Gesetzen oder Maßnahmen der EU oder einzelner EU-Mitgliedsstaaten Verluste entstanden sind. Das kann auch Gesetze betreffen, die im Interesse des Gemeinwohls erlassen wurden, etwa zum Umwelt- und Verbraucherschutz. Die Entscheidung über Schadensersatzzahlungen sollen bei TTIP private, größtenteils geheim tagende Schiedsgremien im Rahmen von Investor-State-Dispute-Settlements (ISDS) treffen, bei CETA ist ein Investitionsgerichtssystem (ICS) geplant. Bei früheren Rechtsstreitigkeiten haben Unternehmen schon vielfach Entschädigungen in Millionen-, manchmal Milliardenhöhe erstritten; bezahlt haben die SteuerzahlerInnen. Solche Klagen würden sich durch CETA und TTIP  häufen. Nur ausländische Unternehmen („Investoren“) sollen von den Sonderklagerechten profitieren. Inländischen Unternehmen steht dieses Instrument nicht zur Verfügung.
  • Konzerne sollen bereits beim Ausarbeiten von neuen Regelungen und Gesetzen eingebunden werden, sofern ihre Interessen betroffen sein könnten. Genannt wird das „Regulatorische Kooperation“. Sie bedeutet, dass KonzernvertreterInnen von Regierungen eingeladen werden, in Expertengremien Einfluss auf neue Gesetzentwürfe zu nehmen, noch bevor diese in den gewählten Parlamenten beraten werden. Das höhlt die Demokratie aus. Der politische Wille muss vom Volke ausgehen, nicht von KonzernvertreterInnen!
  • Konzerne hatten und haben einen übermäßig großen Einfluss auf die geheimen Verhandlungen. Allein in der Vorbereitungsphase zum vorübergehend gestoppten TTIP fanden nach offiziellen Angaben 590 Begegnungen der EU-Kommission mit LobbyvertreterInnen statt. 92% dieser Begegnungen waren mit Unternehmensvertretern, während nur in wenigen Fällen mit Vertretern von VerbraucherInnen und Gewerkschaften gesprochen wurde. Auch während der Verhandlungen nehmen Industrielobbyisten Einfluss. Einige Formulierungen in Entwürfen der Abkommen, die an die Öffentlichkeit durchgesickert sind, stammen direkt aus Unternehmenszentralen. Bei TiSA zeigen Studien ein ähnliches Bild.
  • Grundsätzlich werden die Verhandlungen im Geheimen geführt. Selbst unsere VolksvertreterInnen wissen nur wenig über den Verlauf der Verhandlungen. Sie bekommen die Ergebnisse erst nach Abschluss der Verhandlungen zu sehen. Das war etwa bei CETA der Fall. Hier hat die EU ihr Verhandlungsmandat erst im Dezember 2015, also sechs Jahre nach Gesprächsbeginn, veröffentlicht. Inzwischen ist der CETA-Vertrag bekannt gegeben worden. Mitdiskutieren und beispielsweise Änderungen vorschlagen dürfen die Abgeordneten nicht – sie können nur noch den Gesamtvertrag annehmen oder ablehnen. Bei TiSA wurde vereinbart, dass der Vertragstext auch nach Verhandlungsschluss fünf Jahre lang geheim bleibt.
  • Beschäftigtenrechte geraten unter Druck, Arbeitsplätze in zahlreichen Branchen werden gefährdet. Die USA zum Beispiel haben nur wenige grundlegende Rechte für Lohnabhängige anerkannt (nur zwei der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO). Vor allem in der Landwirtschaft und in der Elektroindustrie drohen massive Arbeitsplatzverluste durch die härtere Konkurrenz aus Übersee. Eine Kritik der europäischen Gewerkschaften an CETA findet sich hier: ETUFs briefing plenary EP 15.02.17 CETA – DE
  • Die bei TiSA vorgesehenen Liberalisierungen und Privatisierungen soll zur Einbahnstraße werden. Einmal privatisierte Stadtwerke, Krankenhäuser, Verkehrsbetriebe, Bildungseinrichtungen, Stromnetze u.a. dürfen nie wieder in die öffentliche Hand zurückkehren – und zwar auch dann nicht, wenn sich die Privatisierung als großer Fehler erwiesen hat. Ähnliche Klauseln gibt es bei CETA und TTIP.
  • Die EU und ihre Mitgliedsstaaten geraten unter Druck, Risikotechnologien wie Fracking oder Gentechnik zuzulassen. Lebensmittelvorschriften und Verbraucherschutz bei Kosmetika und Arzneimitteln drohen an Standards angeglichen zu werden, die deutlich unter denen liegen, die in Europa gelten. In vielen Ländern, u.a. in Kanada und den USA, gilt nicht das Vorsorgeprinzip, demzufolge Unternehmen die Unschädlichkeit ihrer Produkte und Verfahren nachweisen müssen. Dort müssen vielmehr Geschädigte belegen, das ihre Gesundheit gelitten hat.
  • Wir brauchen keine schlechteren, sondern bessere Standards – beim Einsatz von Pestiziden zum Beispiel, bei der Massentierhaltung, bei den Energiequellen. Und in der Arbeitswelt sowieso. Die Drohung mit ISDS- oder ICS-Klagen (das zeigt das Beispiel des Kohlekraftwerks Moorburg) und die geplanten Regulatorischen Kooperationen würden dies jedoch verhindern.

Freihandel und Globalisierung: Wer profitiert? Auch dazu hier ein kurzes Erklärvideo:

Weitere Informationen zu TTIP, CETA, TiSA oder den EPAs finden Sie in den Abschnitten Einleitung, Hintergründe und Die Folgen. Einen Überblick bieten auch die Videos der Rubrik Filmbeiträge.