Bäuer:innen gegen die „Freihandelskrankheit“

Die EU missbraucht beim Mercosur-Abkommen die Landwirtschaft erneut als Verhandlungsmasse für die Interessen anderer Sektoren – aus diesem Grund protestierten vergangene Woche Landwirt:innen aus mehreren Ländern in Belgien. Hier der Bericht der Bauernstimme, Organ der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.

Landwirtschaftsverbände des European Milk Board (EMB) und der European Coordination Via Campesina (ECVC) versammelten sich am Mittwoch gemeinsam mit Vertretern der Zivilgesellschaft am Flughafen Lüttich, um ihrem Ärger über EU-Politikstrategien, die die europäische Landwirtschaft gefährden, Ausdruck zu verleihen. Landwirt:nnen der MIG (Milcherzeuger Interessengemeinschaft, Belgien), AbL, FUGEA (Fédération Unie de Groupements d’Éleveurs et d’Agriculteurs), des Boerenforum (Flandern, Belgien) und der Confédération Paysanne (Frankreich) kamen an diesem zentralen Knotenpunkt des internationalen Handels zusammen, um in einer gemeinsamen Botschaft das EU-Mercosur-Abkommen entschieden abzulehnen und eine starke Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) mit einem starken Budget zu fordern, die den Landwirten ein angemessenes Einkommen garantiert. 

Angesichts des Wiederaufflammens großer landwirtschaftlicher Proteste in Frankreich, Griechenland und Belgien sowie im Vorfeld des Europäischen Rates kann die Europäische Union die Forderungen der Landwirte nicht länger ignorieren. Landwirte und Bürger erhoben ihre Stimme – angesichts importierter Produkte, die aus aller Welt per Frachtflugzeuge und Lkws über den Flughafen Lüttich in den europäischen Markt gelangen.

„Das EU-Mercosur-Abkommen ist das Symbol für eine ungerechte und gefährliche Handelspolitik, bei der unsere Landwirte gezwungen werden, mit Produktionsstrukturen zu konkurrieren, die unsere sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Standards nicht respektieren. Dieser unfaire Wettbewerb schwächt unsere landwirtschaftlichen Betriebe und unsere Fähigkeit, lokale Lebensmittel zu erzeugen, die zunehmend durch Importe ersetzt werden“, erklärt Philippe Duvivier, Präsident der FUGEA (Wallonien, Belgien).

Das Problem Milchpreisverfall

Bernd Schmitz, Bundesgeschäftsführer der AbL, ergänzt: „Bäuerliche Betriebe, die bereits heute mit höheren Kosten ressourcenschonend wirtschaften, würden dreifach benachteiligt: Die EU lockert ökologische Standards und plant keine Mindestbudgets für Agrarumweltmaßnahmen. Sie öffnet die Märkte für billige Importe aus den Mercosur-Staaten. Zudem fehlen faire Marktregeln, um den Verlust von Fördergeldern durch höhere Preise auszugleichen. Die GAP-Mittelvergabe muss gezielter erfolgen und die Vorschläge zur Degression und Kappung müssen zwingend verpflichtend umgesetzt werden.“

Auf den Milchpreisverfall weist Christian Wiertz, Vorsitzender der MIG, hin: „Die Landwirte befinden sich aufgrund des Milchpreisverfalls, der sich weiter fortsetzen wird, bereits in einer schwierigen finanziellen Situation. Wir erhalten keine kostendeckenden Preise mehr. In Verbindung mit den Krankheiten, von denen wir betroffen sind, ist das eine Katastrophe! Wie sehen ihre Pläne für uns aus?“

Sind Lebensmittel Waren?

Für Wim Moyaert vom Boerenforum sind Lebensmittel ein grundlegendes Recht und keine Ware. Daher muss die EU „unverzüglich aufhören, die Interessen der Agrar- und Chemieindustrie zu priorisieren. Wir müssen jetzt ein Europa aufbauen, in dem eine soziale Ernährungsstrategie Vorrang hat. Dafür müssen dringend die notwendigen Ressourcen und Unterstützungsmaßnahmen für die zukünftige Generation von Landwirten und landwirtschaftlichen Arbeitskräften bereitgestellt werden. Agrarökologie ist jetzt das wichtige Thema“, so Moyaert.

Und Stéphane Galais, Sprecher der Confédération Paysanne, erklärt: „Heute herrschen in Frankreich große Wut und tiefe Unruhe rund um Fragen der Tiergesundheit, wie wir an der Krise der Lumpy-Skin-Krankheit (ansteckende noduläre Dermatitis) sehen. Das ist eine Freihandelskrankheit: Wir töten unsere Kühe, um den internationalen Handel zu schützen! Unser Kampf gegen das EU-Mercosur-Abkommen ist zentral für das Überleben der Landwirtinnen und Landwirte.“

Die Botschaft der Landwirte aus ganz Europa ist eindeutig. Die Kürzung und Renationalisierung des GAP-Budgets für den Zeitraum 2028–2034 ist inakzeptabel. Ebenso muss eine Handelspolitik beendet werden, die die europäischen Landwirt:innen zwingt, mit Importen zu konkurrieren, die die sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Standards der EU nicht erfüllen. 

Dies ist beim EU-Mercosur-Abkommen der Fall, bei dem die Landwirtschaft erneut als Verhandlungsmasse für die Interessen anderer Sektoren und der Wirtschaft insgesamt missbraucht wird. Freihandelsabkommen wie das EU-Mercosur-Abkommen werden zu einem massiven Zustrom niedrigpreisiger Agrarprodukte führen und den Einkommensdruck auf europäische Erzeuger weiter erhöhen – insbesondere bei bereits besonders anfälligen Produkten wie Milch, Fleisch und Honig.

In diesem angespannten geopolitischen, wirtschaftlichen, ökologischen und gesundheitlichen Kontext muss nach Ansicht der Protestierenden die EU damit aufhören, die Mechanismen zur Regulierung der Agrarmärkte sowie die Standards für Qualität, Rückverfolgbarkeit und Nachhaltigkeit (Pestizide, GVO, Entwaldung, CO₂-Emissionen) weiter abzubauen. Diese Deregulierung diene als Mittel, um neue Freihandelsabkommen zu fördern und Landwirte aus verschiedenen Regionen mit unterschiedlichen Standards und Produktionskosten zu zwingen, gegeneinander in Konkurrenz zu treten.

Um Landwirte zu unterstützen und sowohl den Generationenwechsel als auch die Integration junger Landwirte zu sichern, sind Instrumente erforderlich, die faire Preise garantieren. Dazu gehören starke Regelungen der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) auf Grundlage der Ernährungssouveränität sowie eine Überarbeitung der Richtlinie über unlautere Handelspraktiken (UTP), in die Verkäufe unterhalb der Produktionskosten in die schwarze Liste unlauterer Geschäftspraktiken aufgenommen werden müssen.