„CETA berührt öffentliche Daseinsvorsorge“

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Per Volksinitiative wollen Aktivisten in Schleswig-Holstein das Handelsabkommen mit Kanada zu Fall bringen. Die Tageszeitung Junge Welt veröffentlichte dazu ein Gespräch mit Katharina Nocun.

Interview: Ralf Wurzbacher

 

 

 

Sie und Ihre Mitstreiter wollen das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, das CETA, mit einer Volksinitiative verhindern. Wie soll das ablaufen?

Das CETA ist ein gemischtes Abkommen. EU-Kommission und EU-Parlament dürfen den Vertrag nicht im Alleingang durchwinken. Er muss auch den Parlamenten in den EU-Mitgliedsstaaten vorgelegt werden. Da das CETA auch die öffentliche Daseinsvorsorge berührt, sind auch die Zuständigkeiten der Länder betroffen, also muss auch der Bundesrat darüber abstimmen. Und hier wird es spannend: Stimmt die Mehrheit der Ländervertreter dagegen, ist das CE TA gescheitert. Ein einzelnes Bundesland kann hier Zünglein an der Waage sein.

Das würde aber voraussetzen, dass neben Schleswig-Holstein noch eine Reihe anderer Bundesländer mit Nein stimmen. Woher nehmen Sie Ihre Zuversicht?

Die kleine belgische Provinz Wallonie hat durch ihr entschiedenes Auftreten im letzten Moment wichtige Änderungen erreicht. Wir sind Teil einer europäischen Bewegung von Bürgern, die ihr Recht auf Mitbestimmung einfordern. In Bayern läuft ein Volksbegehren, in NRW ist zeitgleich mit uns eine Volksinitiative gestartet. Auch in anderen Ländern machen wir Druck von unten. In Österreich ist in dieser Woche eine Volksinitiative gegen das CETA begonnen worden, getragen von Sozialdemokraten. Es gibt in ganz Europa so viele gallische Dörfer, dass den CETA-Fans der Angstschweiß auf der Stirn steht.

Im Fall Bayern ist nicht einmal raus, ob das Volksbegehren überhaupt zulässig ist. Wie ist das bei Ihnen im Land?

Wir sind fest davon ausgegangen, dass die Landesregierung versucht, uns juristisch Steine in den Weg zu legen. In Bayern wäre das Ergebnis rechtlich bindend für die Landesregierung. Die fürchtet zu Recht, dass wir Erfolg haben. Die ganze CSU müsste dann einlenken. In Schleswig-Holstein rufen wir den Landtag dazu auf, an die Landesregierung zu appellieren, im Bundesrat gegen das CETA zu votieren. Der politische Druck, der damit aufgebaut wird, ist immens. Wir haben bereits 17.850 von 25.000 nötigen Unterschriften beisammen. Nach der Einreichung muss sich der Landtag zu unserer Forderung positionieren. Falls das nicht reicht, steht es uns frei, ein Volksbegehren und anschließend einen Volksentscheid zu starten. Da sind allerdings die Hürden höher.

Gibt es Anzeichen dafür, dass die SPD-Grünen-SSW-Landeregierung für Ihre Anliegen offen ist?

Die Regierung ist bedauerlicherweise uneins. Die Grünen sind Mitglied im Bündnis, die SPD ist aber für das CETA. Auf Bundesebene will die SPD das Abkommen leider durchdrücken. Als der damalige Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, im November zu Besuch in Kiel war, hat er die 80 Demonstranten vor der Halle einfach ignoriert. Aber im Mai sind Landtagswahlen. Wenn wir das CETA zum Thema machen, können wir die SPD zum Einlenken bewegen. Wenn dessen Ablehnung schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag verankert ist, dann gibt es keine Ausreden mehr.

Welche Nachteile könnten dem Land mit Inkrafttreten des Abkommens erwachsen?

Das CETA ist das TTIP durch die Hintertür. Konzerne können dann Bundes- und Landesregierungen vor Investitionsgerichtshöfen verklagen. Die Länder beschneiden damit ihre Möglichkeiten zu regulieren. Das ist vor allem bei der öffentlichen Daseinsvorsorge ein Thema: Strom, Wasser, Straßen und Bildung. Wie handlungsfähig ist eine Regierung, wenn bei Fragen von Regulierung und Rekommunalisierung hohe Strafzahlungen im Raum stehen? Und wieviel Entscheidungsspielraum bleibt für nachfolgende Generationen?

Die Hürden für das CETA werden immer weniger, in der Vorwoche scheiterten Eilanträge dagegen in Karlsruhe, dazu hat der EU-Umweltausschuss grünes Licht gegeben. Läuft Ihnen nicht die Zeit davon?

Die CETA-Befürworter wollen uns glauben machen, dass das Abkommen durch ist, damit wir die Hände in den Schoß legen. Dabei steht die heiße Phase noch bevor. Stellen Sie sich einmal vor, wie schwierig es sein wird, in allen EU-Mitgliedsstaaten einen so umstrittenen Vertrag durch das Parlament zu bekommen. Wenn wir jetzt aktiv werden, können wir CETA stoppen.