Die Ablehnung von CETA im Europaparlament nimmt zu – auch unter sozialdemokratischen Abgeordneten. Gespräch der Tageszeitung Junge Welt mit Joachim Schuster*.
Interview: Rolf-Henning Hintze
Am 15. Februar wird sich das Europaparlament mit dem Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada befassen. Sie haben im Handelsausschuss gegen CETA gestimmt und stellen sich damit dem bisherigen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Martin Schulz entgegen. Woran machen Sie Ihre Ablehnung fest?
Zwar enthält das Abkommen auch Bestimmungen zur Wahrung von Arbeitnehmerrechten. Allerdings gibt es keinen verbindlichen Sanktionsmechanismus, sollte dagegen verstoßen werden. Die Kommission hat zugesagt, daran zu arbeiten. Aber ohne dass die Arbeiten zufriedenstellend abgeschlossen sind, kann ich CETA nicht zustimmen.
Nachhaltigkeit und Klimaschutz hatte die SPD als wichtige Voraussetzungen für eine Zustimmung zu CETA genannt. Ist Ihnen das bisher zu unverbindlich geregelt?
Ja. Allerdings sollte auch erwähnt werden, dass in CETA bzw. dem gemeinsamen Auslegungsinstrument positiv auf die Pariser Klimaschutzkonferenz Bezug genommen und die Umsetzung der Ergebnisse als wichtige Aufgabe betrachtet wird.
Die bei TTIP kritisierte Festlegung, dass Unternehmen Staaten auf Schadensersatzzahlungen verklagen können, wenn ihnen durch gesetzliche Regelungen künftige Gewinne entgehen, ist auch in CETA enthalten.
Im Vergleich zu den Passagen im ersten Entwurf von CETA, die ähnlich auch für TTIP vorgesehen waren, konnten seitdem deutliche Verbesserungen durchgesetzt werden. Die privaten Schiedsgerichte finden sich nicht mehr. Zudem wurden die Klagegründe eingegrenzt, die Regeln für die Unabhängigkeit der Justiz verbessert und eine Berufungsinstanz geschaffen. Allerdings ist es nicht gelungen, die Klagegründe ausschließlich auf die Nichtdiskriminierung ausländischer gegenüber inländischen Investoren zu beschränken. Unbestimmte Rechtsbegriffe wie »faire und gerechte Behandlung« können immer noch zur Begründung von Klagen herangezogen werden. Damit wird die Freiheit des Gesetzgebers faktisch inakzeptabel eingeschränkt.
Bei dem neuen Handelsgerichtshof, der mit CETA eingeführt wird und der Schadenersatzzahlungen von Staaten in Milliardenhöhe festlegen kann, halten Sie auch die Auswahl unabhängiger Richter bislang nicht für gesichert. Was fehlt?
Bisher ist das Regelwerk, welches die Unabhängigkeit gewährleisten soll, nicht vollständig. Die Kommission arbeitet noch an Bestimmungen zu einem Verhaltenskodex und der Art und Höhe der Vergütung. Für die Frage der Unabhängigkeit sind dies entscheidende Aspekte.
Der SPD-Konvent hat im September trotz der »roten Linien«, die vorher festgelegt worden waren, CETA zugestimmt. Im Dezember hat der DGB dann seine Bedenken gegen CETA schriftlich begründet und die Parlamentarier aufgefordert, CETA abzulehnen. Der hessische SPD-Landtagsabgeordnete Stephan Grüger sagte, wenn der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann schon vor dem Konvent die Argumente vorgetragen hätte, wäre CETA abgelehnt worden.
Die SPD wendet sich nicht grundsätzlich gegen Handelsabkommen, schon gar nicht gegen Verträge mit uns nahestehenden Staaten wie Kanada. Und auch die harsche Ablehnung von freiem Handel und die Befürwortung eines nationalistischen Protektionismus durch den neuen US-Präsidenten Trump machen deutlich, dass wir ein Interesse an vernünftigen Handelsbeziehungen mit Kanada haben. Der Beschluss des Konvents enthält aus diesem Grund keine abschließende Empfehlung. Eine Ablehnung von CETA schon im Sommer hätte darauf verzichtet, das Abkommen zu verbessern. Aus meiner Sicht ist es aber trotz weiterer Fortschritte nicht gelungen, alle Forderungen durchzusetzen.
CETA stößt in Deutschland auf massive Ablehnung. Müsste die SPD, wenn die Sozialdemokraten im Europaparlament CETA zur Mehrheit verhelfen sollten, bei der Bundestagswahl nicht mit Stimmeneinbußen rechnen?
Sicherlich ist die Zustimmung oder Ablehnung von CETA für viele Menschen ein wichtiges Kriterium für ihre Wahlentscheidung. In die Entscheidung werden aber auch andere Fragen einfließen.
* Joachim Schuster (SPD) ist Mitglied des Europäischen Parlaments und in den Ausschüssen Internationaler Handel sowie Beschäftigung und soziale Angelegenheiten vertreten.