Drei von vier Österreichern lehnen es ab, 562.000 Menschen haben dagegen unterschrieben, doch jetzt winkt die Regierung CETA im Schnellverfahren durch. Sie will das Freihandelsabkommen noch vor dem Sommer im Parlament beschließen lassen. Und die rechtsextreme FPÖ? Die hat – wie von uns berichtet – ihren groß angekündigten Widerstand heimlich kassiert.
Autorin: Patricia Huber von Kontrast.at
Ende April 2018 hat die Regierung das CETA-Abkommen plötzlich und unangekündigt zur Begutachtung verschickt – und damit sogar die eigenen Ministeriums-Mitarbeiter überrascht. Gerade mal 24 Stunden hatten die Beamten für eine Stellungnahme Zeit. Offenbar soll das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada noch diese Woche im Ministerrat beschlossen werden. Am Wochenende hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace bekannt gegeben, dass ihr der Regierungsentwurf vorliegt: „Hier steht schwarz auf weiß, dass die Regierung CETA beschließen will und das inklusive Sonderklagsrechten, also einer Paralleljustiz für ausländische Unternehmen“, so Jens Karg von Greenpeace.
ÖVP und FPÖ haben es offenbar eilig: CETA soll rasch ratifiziert werden. Wenn der Regierungsbeschluss im Mai fällt, könnte CETA noch vor dem Sommer vom Parlament beschlossen werden. Kolportiert wird, dass die schwarz-blaue Regierung die Ratifizierung noch vor der Übernahme des EU-Ratsvorsitzes in der zweiten Jahreshälfte erledigt haben will. Von der FPÖ scheint es keinen Widerstand zu geben.
Vor der Wahl: FPÖ gegen CETA
Dabei warnte die FPÖ vor der Wahl heftig vor der Gefahr durch Konzern-Schiedsgerichte: „Nordamerikanische Konzerne, Großbanken und Fondsgesellschaften können Österreich klagen, nur weil sie argwöhnen, dass neue Mindestlohnregelungen, Arbeits- und Kündigungsschutzgesetze, Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmern oder großzügige Transferleistungen der Staaten ihre Profitaussichten schmälern.“
Noch drei Tage vor der Nationalratswahl 2017 hat die FPÖ einen Antrag im Parlament eingebracht, in dem sie eine Volksbefragung zu CETA fordert.
Als Präsidentschaftskandidat sprach sich auch Norbert Hofer vehement gegen das Abkommen aus. Ohne vorige Volksabstimmung würde er den Vertrag keinesfalls unterschreiben: „Mit CETA fallen nicht nur Zölle, sondern auch Umweltstandards und Arbeitnehmerrechte. Außerdem ist mit In-Kraft-Treten des Handelspaktes der Beschneidung der Daseinsvorsorge – wie der Privatisierung von öffentlichen Versorgungseinrichtungen im Gesundheitsbereich oder der Wasserversorgung – Tür und Tor geöffnet.“
FPÖ-Chef Strache selbst sah den österreichischen Rechtsstaat durch CETA ausgehebelt: „Es kann nicht sein, dass Konzerne und globale Konzerninteressen Staaten verklagen und dann private Schiedsgerichte nationales Recht aushebeln können.“ Die FPÖ werde daher „nach dem 15. Oktober vehement für eine verbindliche Volksabstimmung bei CETA eintreten“, so Strache noch Ende September 2017.
Und auch FPÖ TV ließ seine ZuschauerInnen wissen: „Damit das Abkommen komplett in Kraft treten kann, müssen die nationalen Parlamente zustimmen. In Österreich wird die FPÖ gegen CETA stimmen.“
Nach der Wahl: FPÖ für CETA
Davon ist jetzt nichts mehr zu hören – nicht eine kritische Aussendung gibt es seit Regierungsantritt von der FPÖ zu CETA. Denn im Programm der neuen Bundesregierung ist die bedingungslose Zustimmung zum Handelsvertrag mit Kanada vereinbart: Kein Wort von Umweltstandards und Konzerngerichten.
Tatsächlich fand der Schwenk der FPÖ bei CETA aber schon vor Regierungsantritt statt. Im November 2017 stimmte die FPÖ gegen einen Antrag aus der einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer: Die österreichische Bundesregierung sollte dazu verpflichtet werden, keine Handelsabkommen mehr zu unterstützen, die „internationale Investitionsgerichte bei Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen Staaten mit hochentwickelten Rechtssystemen“ vorsehen.
SPÖ und Grüne stimmten im Sinne des Antrags gegen die Investitionsgerichte, ÖVP und FPÖ lehnten den Antrag ab. Damals war die FPÖ noch keinem Koalitionsvertrag verpflichtet, sie wollte nur signalisieren: Wir stehen bereit für eine ÖVP-FPÖ-Koalition und verzichten dafür auch auf zentrale Wahlversprechen.
Für die ÖVP ist eine Zustimmung zu CETA inklusive Schiedsgerichten immer außer Frage gestanden. Die FPÖ hat sich dem gebeugt. Ohne zusätzliche Bedingungen und ohne kritische Worte wird CETA diese Woche wohl auch im Ministerrat beschlossen – dort stimmen auch die früheren CETA-Kritiker Hofer und Strache zu.
Probelauf für TTIP
Die Umsetzung von CETA in der jetzigen Form wäre ein Dammbruch: Bislang enthält noch kein einziges EU-Handelsabkommen Konzernklagsrechte, wie sie bei CETA vorgesehen sind. Die EU-Kommission hat bereits klar gemacht, dass sie diese in Zukunft in alle Handelsabkommen aufnehmen möchte – von TTIP, das mit den USA verhandelt wird, bis hin zu Abkommen mit Singapur, China und Japan. Manche Mitgliedstaaten fordern sogar, private Schiedsgerichte innerhalb der EU einzurichten.
Die umstrittene Frage der Schiedsgerichte ist noch nicht geklärt. Derzeit läuft ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof deswegen. Wird der Handelsvertrag vollständig umgesetzt, können Konzerne ganze Länder unter Druck setzen und verklagen. Etwa wenn Konsumentenschutz, Umweltstandards oder Arbeitnehmerrechte Konzern-Gewinne schmälern. Große Unternehmen können sich Prozesskosten von durchschnittlich 8 Millionen Dollar leicht leisten. Für Staaten fallen diese Summen schon schwerer ins Gewicht, gefährlich werden aber vor allem Nachzahlungen in Milliardenhöhe. Der Effekt: Aus Angst vor einer Klage schrecken Staaten davor zurück, neue Regelungen im Sozial- und Umweltbereich zu treffen.
CETA gilt auch als Probelauf für das viel wichtigere Handelsabkommen TTIP mit den USA. Das erklärt auch das hohe Engagement von Unternehmensverbänden und der EU-Kommission. Wird CETA in der vorliegenden Fassung ratifiziert, könnte TTIP – unter anderem Namen – erneut Dynamik bekommen.