Es wird ein heißer Herbst

CETA, JEFTA, das geplante Mercosur-Abkommen – und nicht zuletzt die Wiederbelebung von TTIP: Die kommenden Monate werden turbulent. Das beschreibt der aktuelle Newsletter des Netzwerks Gerechter Welthandel.

Die politische Sommerpause in Berlin und Brüssel ist vorbei – und ein (handels)politisch ereignisreicher Herbst steht bevor: Die Abstimmung über das EU-Abkommen JEFTA im EU-Parlament, weitere Gespräche über die Wiederbelebung der TTIP-Verhandlungen, zahlreiche Sitzungen der durch CETA geschaffenen Regulierungsgremien … Wir werden sicherstellen, dass diese Prozesse nicht ohne unseren Gegenwind und unsere Forderungen nach einer anderen, global gerechten Handelspolitik vonstatten gehen.

Auch in die bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern werden wir uns einmischen. Lasst uns auf die Straße gehen gegen neoliberale Handelsabkommen! Wie und wo Sie Sich einbringen können, und welche handels- und investitionspolitische Neuigkeiten es sonst noch zu berichten gibt, erfahren Sie in diesem Newsletter.

+ + + CETA-Aktionstag am 29. September + + +

Wir haben die Sommerpause genutzt, um unseren bundesweiten Aktionstag gegen das Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU mit Kanada (CETA) vorzubereiten. Bereits in gut zwei Wochen ist es soweit: An zahlreichen Orten in ganz Deutschland werden wir unsere Kritik an der neoliberalen Handelspolitik auf die Straße bringen, die Umwelt- und Arbeitsstandards schwächt, die öffentliche Daseinsvorsorge gefährdet und den Einfluss von Lobbyist*innen noch vergrößert.

Prüfen Sie auf der Aktionskarte, wo die nächstgelegen Aktion stattfindet, und machen Sie mit! Über 20 Städte und Gemeinden sind schon dabei, und wir rechnen mit der Eintragung zahlreicher weiterer Aktionen in den nächsten Wochen.

Mit dem Aktionstag wollen wir uns in erster Linie in die Landtagswahlkämpfe in Hessen und Bayern einmischen. Die aktuellen Landtagswahlen sind entscheidend für die Zusammensetzung des Bundesrats, da die Stimmen eines Bundeslands bei Abstimmungen nur einheitlich abgegeben werden können. Wenn CETA also dort zur Abstimmung vorliegt, kann das Abkommen durch eine absolute Mehrheit an Länder-Nein-Stimmen oder Länder-Enthaltungen noch gekippt werden. Daher fordern wir insbesondere von den Linken und Grünen – die unsere Bewegung für einen gerechten Handel und gegen CETA & Co. in den vergangenen Jahren aktiv unterstützt haben – nun folgende Zusage: Im Fall ihrer Regierungsbeteiligung soll das jeweilige Bundesland im Bundesrat gegen CETA stimmen oder sich enthalten. In Bayern lehnen Bündnis90/Die Grünen, die BayernSPD, die Freien Wähler und die LINKEN das Abkommen ab und werden diese Position auch im Falle einer Regierungsbeteiligung beibehalten – dies ergaben Anfragen der Initiative „stopp TTIP Berchtesgadener Land/Traunstein“. Nun müssen auch die hessischen Landesparteien nachziehen und sich klar gegen CETA positionieren!

Auch wenn CETA erst vorläufig angewandt wird, finden bereits die ersten Sitzungen der Regulierungsausschüsse statt, in denen zum Beispiel über geplante Gesetzesvorhaben oder die Angleichung von Standards diskutiert wird. Allein im September treten mehrere Ausschüsse zum ersten Mal zusammen und beraten über die Themen Landwirtschaft, Dienstleistungen/Investment sowie Handel und Nachhaltige Entwicklung. Diese Regulierungsausschüsse bedrohen die Demokratie, denn sie verlagern politische Entscheidungen in undurchsichtige Expertengremien, bei denen oftmals Lobbyist*innen mit am Tisch sitzen. Das kann die Spielräume demokratischer Politik massiv einschränken – denn dort könnten politische Projekte schon gestoppt werden, bevor die Öffentlichkeit davon erfährt. Zudem erhalten diese Gremien weitreichende Rechte, das Abkommen nach Abschluss noch zu verändern.

+ + + JEFTA im EU-Parlament + + +

Mitte Juli ist das Handelsabkommen der EU mit Japan vom EU-Ministerrat angenommen und kurz darauf beim EU-Japan-Gipfel formell unterzeichnet worden – doch nicht ohne Protest: Wasserverbände hatten schon seit langem darauf hingewiesen, dass die Wasserversorgung nicht ausreichend geschützt ist, eine Campact-Petition wurde innerhalb kürzester Zeit von einer halben Million Menschen unterschrieben. Auch vom DGB kam Kritik an dem Abkommen, ebenso wie zuvor schon von ver.di. Und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft sprach sich gemeinsam mit japanischen Bauern gegen JEFTA aus.

Und nun?

Ende August diskutierte der Ausschuss für Internationalen Handel im EU-Parlament (INTA) erstmals über JEFTA, bereits Anfang November sollen die Diskussionen im Ausschuss abgeschlossen sein. Die Abstimmung im EU-Parlament soll plangemäß noch in diesem Jahr stattfinden. Wenn wir das Abkommen mit seinen gefährlichen Inhalten zur öffentlichen Daseinsvorsorge, mit seinen Bestimmungen zur regulatorischen Kooperation und mit seinem zahnlosen Nachhaltigkeitskapitel noch stoppen wollen, müssen wir am Ball bleiben! Daher werden zahlreiche Aktionen rund um den CETA-Aktionstag auch über JEFTA informieren.

+ + + TTIP durch die Hintertür!? + + +

Im Streit um die von den USA verhängten Strafzölle auf Aluminium und Stahl hatten sich schon vor der Sommerpause umfassendere Verhandlungen der EU mit den USA abgezeichnet. Ende Juli verkündeten EU-Kommissionspräsident Juncker und US-Präsident Trump ganz offiziell, eine neue Phase in den Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten einzuleiten.

Im Klartext: Die TTIP-Verhandlungen gehen weiter! Gemeinsame Verhandlungsziele sind die Abschaffung aller Zölle, aller nicht-tarifärer Handelshemmnisse und jeder staatlichen Förderung auf industrielle Güter (mit der Ausnahme von Autos). Insbesondere der Handel mit Dienstleistungen, Chemikalien, Arzneimitteln, Medizinprodukten, Sojabohnen und US-amerikanischem Flüssiggas solle ausgebaut und bestehende Barrieren abgebaut werden. Eine „Arbeitsgruppe der engsten Berater“ erarbeitet derzeit, noch ganz ohne Verhandlungsmandat, einen Bericht, der Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele vorschlagen soll. Am Montag trafen sich EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und US-Handelsbeauftragter Robert Lighthizer in Brüssel, um insbesondere einen Zeitplan für die Gespräche zu beraten. Dieser ist ambitioniert: Bereits im November sollen erste Verhandlungsergebnisse in einigen Bereichen stehen, insbesondere die regulatorische Kooperation verspreche „frühzeitige Ergebnisse“.

So weit, so beunruhigend – denn diese Ziele gehen noch über den Verhandlungsrahmen des gescheiterten TTIP hinaus. Und vor dem Hintergrund, dass die Trump-Administration auf Deregulierung und Schwächung von Umwelt- und Sozialstandards setzt, ist die regulatorische Kooperation ein noch größeres Risiko für Mensch und Umwelt als zu Obamas Zeiten – auch deshalb, weil die EU-Kommission zur Rettung der deutschen und europäischen Autoexporte Zugeständnisse an die USA machen wird.

+ + + EU-Mercosur + + +

Diese Woche treffen sich Vertreter*innen von EU-Kommission und den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, um die Verhandlungen zum geplanten Handelsabkommen fortzuführen. Es ist bereits die 35. Verhandlungsrunde, und noch immer gibt es erhebliche Differenzen unter anderem in den Bereichen Autos und Autoteile, geografische Angaben, Patentfragen und Landwirtschaft.

Beide Seiten drängen auf einen baldigen Verhandlungsabschluss. Denn Brasilien wählt im Oktober einen neuen Ministerpräsidenten und ein neues Parlament, und die EU-Kommission möchte vor einem möglichen politischen Kurswechsel in Brasilien Fakten schaffen. Ob es jedoch gelingt, die bestehenden Differenzen in den nächsten Wochen zu bereinigen, ist offen.

+ + + Vattenfall-Klage: Urteil könnte bald kommen + + +

Vattenfall verklagt derzeit die Bundesregierung vor einem internationalen Schiedsgericht auf eine Entschädigung von über 4,4 Milliarden Euro. Grund ist der Atommausstieg von 2011, rechtliche Basis der Energiecharta-Vertrag. Das Urteil hätte schon längst gefällt werden sollen, doch dann traf der Europäische Gerichtshof (EuGH) Anfang März im „Achmea-Fall“ eine Grundsatzentscheidung: Investitionsschutzklauseln zwischen EU-Mitgliedstaaten verstoßen gegen EU-Recht. Die Bundesregierung sah damit auch der Vattenfall-Klage die rechtliche Grundlage entzogen und beantragte, die Klage abzuweisen. Diesen Antrag wies das Schiedsgericht Anfang September zurück, das Urteil soll noch in diesem Jahr gefällt werden.

Auch ganz unabhängig von der Entscheidung des Schiedsgerichts veranschaulicht die Vattenfall-Klage schon heute die fatalen Auswirkungen von Konzernklagerechten auf Mensch und Umwelt: 16 Millionen Euro hat die Bundesregierung bisher für Prozess- und Anwaltskosten ausgegeben. Das Risiko von Rechtskosten in dieser Höhe kann Regierungen dazu veranlassen, frühzeitig von Gesetzen und Regulierungen Abstand zu nehmen, die den Interessen von Investoren entgegenstehen – wie beispielsweise das Urteil im ersten Vattenfall-Streitfall um die Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk in Hamburg Moorburg zeigte.

Dass und wie der Energiecharta-Vertrag Konzernen die Macht gibt, die Energiewende zu blockieren, zeigte im Juni eine Studie von Corporate Europe Observatory.


Autorin: Anne Bundschuh, Netzwerk Gerechter Welthandel