JEFTA: Ein Sieg des Kapitals?

Anfang Februar trat das EU-japanische Freihandelsabkommen JEFTA in Kraft, über das nur das EU-Parlament zu befinden hatte – und dem die VertreterInnen der großen Parteien mehrheitlich zustimmten. Da stellt sich die Frage: Hat sich die Irreführung der Bevölkerung gelohnt? Und wer profitiert eigentlich?

Nun ist JEFTA, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan, allen Protesten aus der Zivilgesellschaft zum Trotz, in Kraft getreten, schreibt die globalisierungskritische Organisation attac in einer Mitteilung. Und weiter: «JEFTA ist ein Abkommen von Konzernen für Konzerne. Die treibende Kraft hinter den Verhandlungen waren Großunternehmen. Sie haben an dem Abkommen maßgeblich mitgeschrieben. Ganze 89 Prozent der Treffen der EU-Verhandler*innen fanden mit Konzernlobbyist*innen statt, mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft waren es gerade mal vier Prozent (Auswertung).

Das Ergebnis: Japanische und europäische Konzernlobbys erhalten mit JEFTA direkten Einfluss auf geplante Gesetze – noch bevor diese überhaupt Regierungen oder Parlamenten vorgelegt werden. Das regelt das Kapitel zur regulatorischen Kooperation in dem Abkommen: Lobbyist*innen dürfen Gesetzesentwürfe kommentieren, bevor die gewählten Abgeordneten diese Entwürfe überhaupt zu Gesicht bekommen haben.

„Multis werden künftig mitentscheiden, welche Regeln zwischen der EU und Japan ‚harmonisiert‘ werden sollen. Das stellt ihre Profitinteressen über menschenrechtliche, soziale und ökologische Belange. JEFTA verengt demokratische Gestaltungsspielräume und verfestigt die Macht der Konzerne“, stellt Roland Süß, Mitglied im Koordinierungskreises von Attac Deutschland, fest.

Abbau von Schutzrechten für Arbeitnehmer*innen und die Umwelt

Wie CETA, das geplante EU-Kanada-Abkommen, zielt auch JEFTA in großem Stil auf den Abbau sogenannter nichttarifärer Handelshemmnisse. Gemeint sind damit vor allem Gesetze und Regelungen zum Schutz von Arbeitnehmer*innen, Verbraucher*innen, der Umwelt oder schlicht der Allgemeinheit vor allzu rücksichtslosem Verhalten der Unternehmen. In JEFTA und CETA werden solche Regeln unter den Vorbehalt gestellt, dass sie den Handel nicht gefährden dürfen. Die EU und Japan decken dabei gemeinsam ein Drittel der Weltwirtschaft ab, wie EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström stolz verkündet.

Verhandlungen über Sonderklagerechte für Konzerne laufen noch

Zusätzlich zu JEFTA führen die EU und Japan derzeit noch Verhandlungen für ein gesondertes Investitionsschutzabkommen, in dem einseitige Sonderklagerechte für ausländische Investoren verankert werden sollen.

Attac-Handelsexpertin Hanni Gramann: „Gerechter Welthandel geht anders. Menschenrechte müssen endlich durchsetzbar werden und Vorrang vor Konzerninteressen haben.“ In einer europaweiten Kampagne fordern Attac und 150 Bündnispartner*innen die EU und ihre Mitgliedsstaaten auf, Konzernprivilegien zu beenden und ein starkes UN-Abkommen zum Schutz der Menschenrechte in der globalen Wirtschaft zu unterstützen.»

 

Deutschlands Branchen profitieren

Wem JEFTA dient, hat das Handelsblatt untersucht – und in einem Beitrag veröffentlicht. Darin steht unter anderem:

«Ab dem 1. Februar werden die bisherigen Zölle im Wert von rund einer Milliarde Euro jährlich fallen. Nicht alle sofort, für viele Sektoren haben beide Seiten Übergangsregeln vereinbart. Auch im Dienstleistungssektor werden Handelsbarrieren abgebaut – und Japan öffnet sein öffentliches Ausschreibungswesen für europäische Firmen.

Beide Seiten werben bei ihren Bürgern mit dem großen wirtschaftlichen Nutzen des eurasischen Freihandelsbundes. „Unsere Industrie, unsere Dienstleister, unsere Start-ups und unsere Landwirte – sie alle haben mit diesem Abkommen Grund zum Feiern“, sagt EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. (…)

Nach einer Simulation der EU-Kommission wird das Abkommen bis 2035 das europäische Wirtschaftsprodukt um 35 Milliarden Euro oder 0,14 Prozent erhöhen. Europas Exporte sollen dabei um 13 Milliarden Euro steigen.

Japans Ausfuhren in die EU könnten demnach sogar um 23 Milliarden Euro steigen. Der EU ist das recht. Denn das Abkommen soll zum Nutzen von Unternehmen sein, die sonst nur wenig von der europäischen Handelspolitik profitieren: Nahrungsmittelhersteller, Getränke- und Textilindustrie, Lederwaren und kleine und mittlere Unternehmen.

Die deutsche Wirtschaft macht sich große Hoffnungen. Der Vertrag stelle 97 Prozent der EU-Exporte nach Japan zollfrei und beseitige nicht-tarifäre Handelshürden, meint Marcus Schürmann, Delegierter der Deutschen Wirtschaft und Geschäftsführer der AHK Japan: „Deutsche Unternehmen werden zu den größten Nutznießern des Abkommens gehören.“»

So «dürften der deutsche Maschinenbau sowie der Absatz von Chemieprodukten, Kunststoffen und Kosmetik profitieren, erwarten Handelskammer und EU-Kommission. Neues Potenzial sehen die Experten zudem im Bahnsektor. Hersteller von Mess-, Regel- und Elektrotechnik können auf Geschäfte mit japanischen Bahnunternehmen hoffen. Der bisherige Sicherheitsvorbehalt beim Einkauf von Ausrüstungsteilen wird zum 1. Februar 2020 aufgehoben.

Auch landwirtschaftliche Produkte und Lebensmittel dürften zu den Gewinnern zählen. Bei den Exporten von verarbeiteten Lebensmitteln erwartet die EU-Kommission mindestens eine Verdoppelung. Gerade Produkte aus Deutschland genießen in Japan einen sehr guten Ruf, auch die Hersteller von Käse oder Wein mit geschützter geografischer Herkunftsbezeichnung wie Roquefort oder Chianti dürften profitieren.

Japans Regierung hofft wiederum, dass auch die eigenen Landwirte und Lebensmittelhersteller vom Verkauf japanischer Delikatessen in Europa profitieren können. Denn die Landwirtschaft steht in Japan besonders unter Druck.

Martin Schulz, Volkswirt am Wirtschaftsforschungsinstitut Fujitsu in Tokio, sieht sogar die Möglichkeit, dass japanische Firmen bei Exporten nach Asien vom Freihandelsabkommen profitieren. So verschneiden japanische Winzer ihre Weine oft mit Lieferungen aus Europa. Da nun die Preise für Importweine sinken, könnten japanische Weine in Asien wettbewerbsfähiger werden.

Allerdings sehen deutsche Firmen durchaus noch Handlungsbedarf. So berichteten deutsche Handelshäuser bei einem Roundtable der Handelskammer, dass Japan in den vergangenen Jahren teilweise alte, schlafende Industriestandards reaktiviert hat, um ausländische Konkurrenten zu bremsen.»

Aber da lässt sich die EU sicher noch was einfallen.