Freihandel oder Menschenrechte?

Nach dem EuGH-Urteil zugunsten des EU-Kanada-Handelsabkommens CETA steht dessen Ratifizierung bevor. Die Verhandlungen über das TTIP-Abkommen mit den USA wurden wieder aufgenommen. Brüssel führt mit vielen anderen Staaten auf allen Kontinenten Gespräche über ähnliche Verträge, die katastrophale Auswirkungen auf das Klima haben werden. Doch es gibt auch Gegenwehr, unter anderem in Form eines UNO-Abkommens, das die Menschenrechte stärken wird – falls die Regierungen einflussreicher Staaten mitmachen. Darüber spricht der UNO-Experte Andreas Zumach am Donnerstag in Konstanz.

Bereits die in den letzten Jahrzehnten vereinbarten internationalen Handelsverträge missachten Menschenrechtsnormen, Umwelt- und Sozialstandards sowie Gesundheits- und Verbraucherschutz. Stattdessen verschafften sie den multinationalen Konzernen weitgehende Möglichkeiten, ihre Interessen auf Kosten der Bevölkerung insbesondere in den Ländern des Südens durchzusetzen. Diese Entwicklung soll mit dem geplanten Abkommen über eine Freihandelszone zwischen der EU und Kanada (CETA) sowie ähnlichen Verträgen weiter vorangetrieben werden.

Die Handels- und Investitionsabkommen geben Konzernen weitreichende Sonderrechte und Zugang zu einer Paralleljustiz, um diese Rechte in einem privaten globalen Justizsystem – den sogenannten Konzernklagerechten (Investor State Dispute Settlement, ISDS) – durchzusetzen. Diese Klagerechte sind einseitig; viele Betroffene von Menschenrechtsverstößen durch Konzerne haben hingegen keinerlei Möglichkeit, zu ihrem Recht zu kommen.

Zugleich wird bei der UNO über ein Abkommen mit verbindlichen Menschenrechtsnormen für Wirtschaftsunternehmen („Binding Treaty“) verhandelt. Ein solches UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten würde festlegen, dass Konzerne für ihre Vergehen haftbar gemacht werden können. Sorgfaltspflichten für Konzerne würden sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene gesetzlich geregelt. Konzerne müssten dadurch sicherstellen, die Menschenrechte auch bei Auslandsgeschäften und entlang der ganzen Wertschöpfungskette zu achten.

Ob beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch, bei Morden rund um die Kohleminen in Kolumbien, bei der Brandrodung von indonesischem Regenwald und der Vertreibung der indigenen Bevölkerung, ob bei Lebensmitteln, Kleidung oder Kohlestrom: Am Beginn der globalen Produktions- und Lieferketten auch unserer täglichen Konsumprodukte stehen regelmäßig schwerste Menschenrechtsvergehen. Unternehmensgewinne speisen sich vielfach aus menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen, Ausbeutung und Sklaverei, starken Umweltzerstörungen und Landraub bis hin zu Vergewaltigungen, Folter, Mord und Kriegsverbrechen.

Von rechtlichen oder wirtschaftlichen Konsequenzen für die Auftraggeber (unter anderem deutsche und in Deutschland agierende Großkonzerne) keine Spur – weder am Ort des Geschehens, noch bei uns. Dabei sind Deutschland, Europa und die anderen Industrieländer mitverantwortlich für die Misere. Sie haben dafür gesorgt, dass den verbindlichen, aber relativ zahnlosen, im Rahmen der Vereinten Nationen geschlossenen Menschenrechtspakten zahlreiche völkerrechtliche Verträge im Bereich von Investitionsschutz und Handel an die Seite gestellt und mit starken Durchsetzungs- und Sanktionsmöglichkeiten versehen wurden.

Diese Handels- und Investitionsabkommen sichern Konzernen beispielsweise direkten Zugang zu Arbeitskräften, Ressourcen und Absatzmärkten oder machen Gewinne einklagbar – sollten Regierungen Maßnahmen zum Schutz der Menschen und der Natur ergreifen. Auf diese Weise haben Profitinteressen der Konzerne effektiv Vorrang gegenüber Menschenrechten erhalten. Auf ähnliche Weise haben sich die südamerikanischen Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay zum gemeinsamen Markt Mercosur zusammengeschlossen (nach EU-Vorbild). Auch da geht es nicht in erster Linie um Zollsenkungen, sondern darum, „nichttarifäre Handelshemmnisse“ zu beseitigen. Darunter verstehen die PolitikerInnen und ManagerInnen Umwelt- und Verbraucherschutz, die Rechte der Beschäftigten und demokratische Errungenschaften. Mit den Mercosur-Staaten plant die EU seit längerem ein Handelsabkommen, das den bisherigen Schutz aufheben soll und noch mehr Amazonaswald der industriellen Landwirtschaft (Gensoja-Plantagen, Massenfleischproduktion) opfert.

Der von vielen UNO-Staaten geplante „Binding Treaty“ soll zumindest die schlimmsten Auswirkungen für die Beschäftigten unterbinden. Aber wie steht es um dieses Abkommen? Kann es die Erwartungen erfüllen? Warum lehnen Regierungen wie die deutsche das Vorhaben ab? Und was können wir tun, um die geplanten EU-Handelsabkommen mit Kanada (CETA), den USA (TTIP 2.0.), Indonesien (CEPA), Vietnam, den Mercosur-Staaten und zahlreichen afrikanischen Ländern verhindern?

Darüber informiert der Genfer taz-Korrespondent und UNO-Experte Andreas Zumach an diesem Donnerstag, 23. Mai, in der Volkshochschule Konstanz. Katzgasse 7. Sein Thema: „Ungezügelter ,Freihandel’ oder verbindliche Menschenrechtsnormen, Umwelt- und Sozialstandards?“ Der Vortrag wurde von der VHS Konstanz und dem Konstanzer Bündnis für gerechten Welthandel – gegen TTIP, CETA, TISA organisiert. Unterstützt wird der Infoabend von Amnesty International, dem Konstanzer Weltladen, dem Projekt Seebrücke und vom Café Mondial.

Beginn: 19.30 Uhr, Eintritt 7 Euro