Die LandtagskandidatInnen zu CETA: „Ja“, „Ja“, „Nein“, „Nein“. Und ein opportunistisches „Vielleicht“

 

Als die Grünen noch mehrheitlich gegen CETA waren: Großdemo in Stuttgart, September 2016

Am 14. März 2021 wird in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt. Die Wahl hat nicht nur Auswirkungen auf die Landespolitik – denn mit einer Änderung der Regierungskoalition ändern sich auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Und dort wird demnächst über das EU-Kanada-Handelsabkommen CETA abgestimmt, das vorläufig umgesetzt wird – aber noch nicht ganz. Nicht in Kraft getreten ist bisher der Investitionsschutzteil, der von allen Parlamenten der 27 EU-Mitgliedsstaaten – darunter Bundestag und Bundesrat – ratifiziert werden muss. Wird diese Ratifizierung auch nur von einem Parlament abgelehnt, ist der gesamte Vertrag hinfällig.

Hier gibt es also die Chance, das klimaschädliche und demokratiefeindliche CETA-Abkommen zu kippen. Doch dazu braucht es eine baden-württembergische Landesregierung, die diese Gelegenheit ergreift. Aus diesem Grund haben wir die LandtagskandidatInnen in den Wahlkreisen 56 (Konstanz-Radolfzell) und 57 (Singen-Stockach) befragt.

Den KandidatInnen stellten wir folgende Fragen: 

  1. Wird sich Ihre Partei in Zukunft verstärkt für einen gerechten Welthandel und damit eine Abkehr von der bisherigen neoliberalen Handelsagenda einsetzen?
  2. Wird Ihre Partei das Pariser Klimaschutzabkommen in Zukunft zur verbindlichen Richtschnur für alle Handelsfragen machen?

Eine Entscheidung, die der Bundesrat in den kommenden Monaten treffen wird, ist ein „Ja“ oder ein „Nein“ zur Ratifizierung des EU-Kanada-Abkommens CETA.

  1. Wird Ihre Partei CETA zum Thema im kommenden Landtagswahlkampf machen?
  2. Können Sie verbindlich zusagen, dass Ihre Partei – bei einer Regierungsbeteiligung in Baden-Württemberg – ein „Ja“ zu CETA ausschließt, so dass die Landesregierung CETA im Bundesrat ablehnt oder sich enthält?

Die Fragen gingen an die jeweiligen KandidatInnen folgender Parteien: Grüne, CDU, SPD, FDP, Die Linke und ÖDP. Die VertreterInnen der Klimaliste hatten wir ebenfalls zu kontaktieren versucht, sind aber gescheitert. (Nach bisherigen Verlautbarungen lehnt die Liste CETA ab.)

Aus Gründen der Übersichtlichkeit veröffentlichen wir die Stellungnahmen nur auszugsweise – die ausführlichen Antworten finden Sie hinter dem Link neben den Fotos. Aufgelistet sind auch jene KandidatInnen, die uns trotz mehrfacher Bitte eine Antwort schuldig blieben.

 

Wahlkreis 56 Konstanz-Radolfzell

Nese Erikli (Grüne)

Ihre von der grünen Fraktion formulierte Stellungnahme steht hier: Antwort_Fraktion_Die_Grünen

Abkehr von der neoliberalen Handelspolitik: „Wir Grüne stehen für eine nachhaltige Handelspolitik (…) Nur durch internationale Zusammenarbeit und Solidarität können wir die großen Herausforderungen bewältigen.“ 

Klimaschutz bei Handelsfragen: „Wir wollen noch stärker dazu beitragen, Klimaneutralität zu erreichen und die Ziele des Pariser Klimaabkommens umzusetzen. Dadurch erhalten und schaffen wir auch Arbeitsplätze.“ 

Wahlkampfthema CETA: „Im Landtagswahlkampf werden wir die Notwendigkeit globaler Verantwortung für nachhaltigen fairen Handel, ambitionierten Klimaschutz und die Umsetzung der Globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der Vereinten Nationen thematisieren – und zwar in allen Politikfeldern.“ 

Ratifizierung von CETA: Wir „betrachten es als nicht seriös, verbindliche Aussagen zum Abstimmungsverhalten des Landes Baden-Württemberg zu machen.“ 

Fazit: Nese Erikli hat uns eine allgemeine Erklärung geschickt, die von der grünen Landtagsfraktion verfasst wurde und auf die konkreten Fragen nicht eingeht. Die Konstanzer Kandidatin lässt also den Ministerpräsidenten entscheiden. Und der stimmt – seinen bisherigen Aussagen zufolge – CETA zu.


Levin Eisenmann (CDU)

Seine ausführlich Stellungnahme steht hier: Antwort_Levin_Eisenmann

Abkehr von der neoliberalen Handelspolitik:  „Um Handelshemmnisse abzubauen und den Handel zu erleichtern, werden immer mehr Freihandelsabkommen geschlossen. Es ist jedoch wichtig, dass in den globalen Abkommen die europäischen Werte, mit den entsprechenden Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards, verankert sind.“

Klimaschutz bei Handelsfragen: „Um die Pariser Klimaziele einzuhalten und um den europäischen ‚Green Deal‘ voranzubringen, werde ich mich für eine Politik im Sinne der Generationengerechtigkeit einsetzen.“

Wahlkampfthema CETA: Eisenmanns Partei wird CETA nicht zum Wahlkampfthema machen. Denn: „Im Vordergrund des Wahlkampfs steht die Förderung regionaler Landwirtschaft und Investition in erneuerbare Energien und neu Technologien.“

Ratifizierung von CETA: „Freihandelsabkommen wie CETA sind meiner Meinung nach essentiell, wenn wir in Europa weiterhin die Spielregeln für den globalen Handel schreiben möchten.“

Fazit: Levin Eisenmann befürwortet CETA.


Petra Rietzler (SPD): keine Antwort


Jürgen Keck (FDP)

Seine ausführlich Stellungnahme steht hier: Antwort_Jürgen_Keck

Abkehr von der neoliberalen Handelspolitik: „Aus unserer Sicht (ist) der durch Abkommen gesicherte Freihandel ein positiver Schritt in Richtung eines gerechten
Welthandels.“

Klimaschutz bei Handelsfragen: „Die FDP steht zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens. Allerdings sind wir dafür, den Verhandlungspartnern auf Augenhöhe zu begegnen und
ihnen nicht unsere Ziele, auch nicht in anderen Bereichen, von vorne herein aufzuzwingen.“

Wahlkampfthema CETA: „Die Tatsache, dass in Deutschland bisher nicht über die Ratifizierung
von CETA abgestimmt worden ist, haben wir in der Vergangenheit immer
kritisiert, und werden wir wo immer möglich, auch im Landtagswahlkampf
ansprechen.“

Ratifizierung von CETA: „Wir setzen uns nach wie vor für ein klares „Ja“ des Landes Baden-Württemberg zu einer CETA-Ratifizierung ein.“

Fazit: Jürgen Keck ist klar für eine Ratifizierung von CETA.


Antje Behler (Die Linke)

Ihre ausführliche Stellungnahme steht hier: Antwort_Antje_Behler

Abkehr von der neoliberalen Handelspolitik: „Die Linke setzt sich seit Jahren für einen gerechten Welthandel und eine neue Weltwirtschaftsordnung ein. Das beinhaltet die entschiedene Kritik der zahlreichen verabschiedeten bzw. in Verhandlung befindlichen neoliberalen Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA und anderen.“

Klimaschutz bei Handelsfragen: „Die Maßgaben des Pariser Klimaschutzabkommens, die strenggenommen selbst unzureichend sind, um der Erderwärmung effektiv entgegenzutreten, sind das Minimum dessen, was unseres Erachtens bei Handelsabkommen unbedingt festgeschrieben werden muss.“

Wahlkampfthema CETA: „Im jetzigen Landtagswahlkampf ist die Aufmerksamkeit ganz anders fokussiert, steht er doch eindeutig im Zeichen der Corona-Krise. Die regionalen Probleme haben dabei eindeutig Priorität vor der internationalen Ebene. So verständlich das ist, drohen dadurch doch wichtige Themen in den Hintergrund zu geraten – unter anderem CETA.“

Ratifizierung von CETA: „Falls die Linke in Baden-Württemberg Teil der Landesregierung werden sollte, schließen wir ein Ja zu CETA definitiv aus.“

Fazit: Antje Behler positioniert sich klar gegen das Handelsabkommen CETA.


Franz Weber (ÖDP)

Seine ausführlich Stellungnahme steht hier: Antwort_Franz_Weber

Abkehr von der neoliberalen Handelspolitik: „Die ÖDP setzt sich schon seit Gründung im Jahre 1982 für weltweite soziale Gerechtigkeit ein, ebenso gegen den allgegenwärtigen Wirtschaftswachstumszwang,der immer neue Probleme heraufbeschwört.“

Klimaschutz bei Handelsfragen: „Die ÖDP ist die Partei der Wachstumskritik. Wir haben nur eine Erde – grenzenloses Wirtschaftswachstum ist bei begrenzten Rohstoff- und Energievorräten schlicht und ergreifend unmöglich.“

Wahlkampfthema CETA: Im Vordergrund dieses Wahlkampfes stehen in erster Linie landespolitische Themen. Trotzdem ist das Problemthema CETA nicht unter den Tisch gefallen.“

Ratifizierung von CETA: „Die ÖDP würde [im Falle einer Regierungsbeteiligung] mit allen Mitteln versuchen, das CETA-Abkommen im Bundesrat zu verhindern.“

Fazit: Franz Weber lehnt CETA ab.

 


Wahlkreis 57 Singen-Stockach

Franz Segbers (Die Linke)

Seine ausführlich Stellungnahme steht hier: Antwort_Franz_Segbers

Abkehr von der neoliberalen Handelspolitik: „Deutschland als Exportökonomie ist hier in besonderer Weise gefordert. Immer wieder verletzen deutsche Unternehmen weltweit Menschenrechte und sind verantwortlich für Umweltzerstörungen.“

Klimaschutz bei Handelsfragen: „Das Pariser Klimaschutzabkommen muss mit den sozialen und ökonomischen Menschenechte zur verbindlichen Richtschnur las Mindestmaß werden. Dabei wissen wir, dass das Klimaschutzabkommen keineswegs ausreicht. (…) Die Welt steuert auf mindestens drei Grad globale Erwärmung zu.“

Wahlkampfthema CETA: „Ich kann für meinen Teil zusagen, TTIP, CETA, TISA zum Thema im kommenden Landtagswahl-kampf zu machen.“

Ratifizierung von CETA: „Soweit und insofern es zu parlamentarischen Initiativen zu TTIP, CETA, TISA kommt, können Sie sicher sein, dass die Partei DIE LINKE Ihr Anliegen unterstützt.“

Fazit: Da nur „im Zuge einer Transformation im Sinne eines ökologisch-sozialen New Deals der Ökonomie mit dem Ziel einer Überwindung des Kapitalismus die sozialen und ökologischen Rechte der Menschen und der Natur geschützt werden können“, lehnt Franz Segbers CETA ab.


Dorothea Wehinger (Grüne)

Ihre von der grünen Fraktion formulierte allgemeine Stellungnahme steht hier: Antwort_Fraktion_Die_Grünen

Ihre Position gleicht also bis aufs Wort der von Erikli (siehe oben). Fazit: Dorothea Wehinger hat uns eine allgemeine Erklärung geschickt, die auf die konkreten Fragen nicht eingeht. Die Singener Kandidatin lässt also den Ministerpräsidenten entscheiden. Und der stimmt – seinen bisherigen Aussagen zufolge – CETA zu.


Die übrigen Kandidaten des Wahlkreises 57 (Singen-Stockach) hüllen sich in Schweigen:

Hans-Peter Storz (SPD): keine Antwort
Tobias Hermann (CDU): keine Antwort
Markus Mumiller (FDP): keine Antwort

 


attac-Umfrage Bodenseekreis/Ravensburg:

Ähnlich lauten übrigens die Antworten auf der anderen Seeseite. Dort hat attac Tettnang die LandtagskandidatInnen in den Wahlbezirken Bodenseekreis und Ravensburg befragt. Auf die Frage, ob sie CETA im Bundesrat zustimmen würden, antworteten die lokalen VertreterInnen von CDU: Ja, SPD: Ja, FDP: Ja, Grüße: Vielleicht, Linke. Nein, ÖDP: Nein, Klimaliste: Nein. Die ausführlichen Antworten hat attac Tettnang hier zusammengestellt: Link anklicken.