Für das Forum Fairer Handel hat die Klimaktivistin Greta Waltenberg dargelegt, was der Kampf gegen die Klimaerhitzung mit dem Kampf für gerechte, herrschaftsfreie Handelsbeziehungen zu tun hat.
Drei Geschichten:
1. Ein Vater arbeitet im Tagebau im Lausitzer Braunkohlerevier. Er ist einer der jüngeren unter seinen Kolleg*innen – die meisten sind über 45 Jahre alt. Jetzt steht innerhalb der nächsten zehn Jahre der Ausstieg aus der Braunkohle bevor, worauf er mit großer Sorge blickt. Er kann dann noch nicht in Rente gehen und befürchtet, dass das neu gekaufte Haus aufgrund eines gescheiterten Strukturwandels drastisch an Wert verliert, seine Kinder dort keine Perspektive mehr haben und er sie kaum noch unterstützen kann.
2. Wie der Großteil der Ugander*innen arbeitet eine junge Mutter in der Landwirtschaft. Obwohl ihr Land sehr von Hunger geprägt ist, hat ihre Familie es geschafft, einigermaßen gut zurechtzukommen. Lange hat sie von den fruchtbaren Böden profitiert, doch in letzter Zeit fallen die Ernten immer öfter Dürren und Befällen zum Opfer. Das bedroht die schon vorher fragile Ernährungssicherheit der Familie noch weiter. Dadurch, dass sie für deren Versorgung verantwortlich ist, verliert die Mutter nun mehr und mehr Zeit damit, Wasser von entfernten Quellen zu holen und sich um Essen zu kümmern. Das belastet sie nicht nur körperlich stark, sondern reduziert auch das Familieneinkommen weiter – ein Teufelskreis.
3. Zu guter Letzt die Geschichte einer Familie aus dem Ahrtal: Die Eltern haben kein hohes Einkommen, aber die Umwelt liegt ihnen am Herzen und deswegen befolgten sie vor der Hochwasserkatastrophe die individualistischen Appelle der Regierung und versuchten, so gut wie möglich, umweltbewusst einzukaufen – selbst, wenn sie dafür an anderen Stellen Abstriche machen mussten.
Diese drei Geschichten und Schicksale unterscheiden sich stark, aber sie alle spiegeln verschiedene Aspekte der Klimagerechtigkeit wider.
Klima und Gerechtigkeit
Klimaschutz ist nicht Selbstzweck, sondern soll Menschenleben schützen und ein gutes Leben für alle ermöglichen – jetzt und in Zukunft. Deswegen ist Fridays for Future nicht einfach eine Klimabewegung, sondern Klimagerechtigkeitsbewegung.
Klimagerechtigkeit ist allumfassend. Ungerechtigkeiten und Ausbeutung sind Mitverursacher der Klimakrise, werden durch sie verursacht und verstärkt und der Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft muss auf eine gerechte Art und Weise geschehen. Mary Robinson, die UN-Sonderbotschafterin für den Klimawandel, hat es treffend beschrieben: „Für mich bedeutet Klimagerechtigkeit, die Menschen in den Mittelpunkt der Lösung zu stellen.“
Die drei fiktiven, exemplarischen Geschichten am Anfang zeigen Menschen, die dabei auf unterschiedliche Art und Weise mitgedacht werden müssen. Die Sorgen des Kohlekumpels zeigen, dass wir eine just transition – eine gerechte Transformation – brauchen, die beim dringend nötigen Strukturwandel niemanden zurücklässt. Die Geschichte aus Uganda hängt mit globaler Gerechtigkeit zusammen – die Länder, die am wenigsten dazu beigetragen haben, leiden schon jetzt am stärksten unter der Klimakrise und sind gleichzeitig besonders vulnerabel. Gleichzeitig zeigt sie, wie Frauen ungleich stärker betroffen sind. Und in der letzten Geschichte geht es vor allem um soziale Gerechtigkeit – sozial benachteiligten Familien muss es möglich gemacht werden, klimafreundlich zu leben, ohne ihren Lebensstandard noch weiter aufzugeben – und der Staat muss systemische Änderungen anstoßen, statt die Verantwortung auf einzelne abzuwälzen.
Das sind bei weitem noch nicht alle Bereiche, mit denen Klimagerechtigkeit zusammenhängt. Nicht zu vergessen sind unter anderem noch die Bereiche Rassismus, Neokolonialismus und Handelsgerechtigkeit. Ich kann hier leider nicht detaillierter auf die verschiedenen Dimensionen von Klimagerechtigkeit eingehen, rufe aber jede*n dazu auf, sich damit auseinanderzusetzen und weiterzubilden.
MAPA – unheard, but not voiceless
Nur einen Aspekt möchte ich hervorheben und genauer erklären: Die, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, sind am stärksten von ihr betroffen und bekämpfen sie direkt an der Frontlinie.
„MAPA“– Most Affected People and Areas – leiden schon jetzt massiv unter der Klimakrise. Ihnen wird nicht nur die Zukunft, sondern auch die Gegenwart geklaut. Gleichzeitig werden ihre Stimmen in der Debatte kaum gehört – in ihren Worten: „MAPA are unheard, not voiceless. They’ve been fighting for their present, not just their future. No one should be a prisoner of injustice. Don’t fight FOR MAPA, fight ALONGSIDE MAPA. MAPA are not just sad experiences, we must highlight their rich stories of resistance.“ Und, wie Vanessa Nakate es formuliert hat: „Their voices are not being platformed. Their voices are not being amplified. Their stories are being erased.“
Sie musste das als Schwarze, ugandische Klimaschutzaktivistin schon oft genug am eigenen Leib erfahren: Nach dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2020 wurde sie als einzige Schwarze Person aus einem Foto mit vier weißen Aktivistinnen geschnitten. Auf der diesjährigen Weltklimakonferenz traf sie zusammen mit Greta Thunberg die erste Ministerin Schottlands – in der Berichterstattung darüber wurde sie jedoch nicht erwähnt. Diese traurigen Anekdoten zeigen beispielhaft das größere, systemische Problem.
Daher ist es wichtig, dass wir denen, die die Klimakrise an vorderster Front bekämpfen, zuhören und unsere Privilegien und Plattformen nutzen, um ihre Stimmen hörbar zu machen: „We need to understand that sometimes we don’t know it all. We need to stop and listen. Even when it’s really tempting to speak.“ (Fridays for Future MAPA)
Also: Nutzt die Möglichkeiten, die Ihr habt, bildet Euch weiter über die Kämpfe der MAPA-Aktivist*innen und gebt ihren Stimmen, wo möglich, eine Plattform. Hört ihnen zu und folgt Fridays for Future MAPA in den verschiedenen sozialen Netzwerken.
Starke Stimmen verbinden: Fridays for Future und die Fair-Handels-Bewegung
Intersektionale (Un)gerechtigkeit ist Ursache, Effekt und Teil der Bewältigung der Klimakrise. Es gibt unfassbar viele Akteur*innen, die sich dafür einsetzen, diese Gerechtigkeitskrise aufzulösen – und immer mehr Menschen schließen sich diesem Kampf an. Das ist, was mir Hoffnung macht. Wenn wir zusammenarbeiten und uns gegenseitig unterstützen, können wir viel gewinnen.
Es gibt keine Klimagerechtigkeit ohne Handelsgerechtigkeit – deswegen ist auch die Fair-Handels-Bewegung ein wichtiger Teil der (Klima)Gerechtigkeitsbewegung. Als etablierter Akteur mit Unterstützer*innen aus allen Altersgruppen ist sie eine starke Stimme, die schon viele und vieles erreicht hat.
Lokal und bundesweit setzen wir als Fridays for Future auf breite Kooperationen, um die gesellschaftliche Mehrheit für Klimagerechtigkeit zu aufzuzeigen. Dort kommen die Akteur*innen des Fairen Handels ins Spiel – wenn Ihr es nicht bereits getan habt, vernetzt Euch mit Euren lokalen Fridays for Future- und anderen for Future-Gruppen, die Ihr auf den Websites von Fridays for Future und dem For-Future-Bündnis findet.
„When we think about immediate actions or solutions to come over Climate Change, (…) I’ve learned to understand that different people have different capacities and we need to take that into consideration for the end picture“ – dieses Zitat einer weiteren MAPA-Aktivistin bezieht sich auf unterschiedliche Möglichkeiten weltweit, drückt aber auch eine unserer großen Stärken aus: Als Bewegung verbinden wir so viele verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, dass wir diese riesige Herausforderung meistern können.
What do we want? Climate Justice! When do we want it? Now! – Was aktuell ansteht
Aktuell legen wir als Fridays for Future einen besonderen Fokus auf unsere 100-Tage-Forderungen – sechs Forderungen an die neue Regierung, die sie direkt in den ersten 100 Tagen umsetzen kann. Damit soll sie zeigen, dass sie es mit ihrem Versprechen zu mehr Klimaschutz wirklich ernst meint. Die erste Forderung ist die nach einem 1,5°C-konformen CO2-Budget. Damit wissen wir genau, wie viel CO2 wir noch ausstoßen dürfen. So lässt sich Klimaschutz besser messbar machen als mit bloßen Jahreszahlen als Nettonullziele. Die sechste Forderung ist, dass Deutschland globale Verantwortung übernehmen soll und sich dazu verpflichtet, für seine historischen Verantwortungen einzustehen. Das beinhaltet mindestens 14 Milliarden Euro internationaler Klimafinanzierung sowie den Ausschluss der Ratifizierung von klima- und umweltschädlichen sowie menschenrechtsgefährdenden Handelsverträgen.
Die Forderungen sind auf unserer Webseite zu finden. Dort kann sie jede*r unterschreiben.
Autorin: Greta Waltenberg