Anfang Oktober 2022 übergaben wir in einem persönlichen Gespräch einen Brief an die Konstanzer Bundestagsabgeordnete Lina Seitzl (SPD). In ihm wurde sie aufgefordert, im Bundestag gegen die anstehende Ratifizierung des EU- Kanada-Handelsabkommen CETA zu stimmen.
Hintergrund ist, dass das Abkommen schon seit 2017 „vorläufig in Kraft“ ist – etwa neunzig Prozent des Vertragsinhalts wird seitdem umgesetzt – und jetzt auch in Deutschland die nationale Ratifizierung durch Bundestag und Bundesrat stattfinden soll. Bisher haben 16 von 27 EU- Mitgliedsländern CETA ratifiziert. Würde auch Deutschland dies tun, wäre die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch die restlichen EU-Staaten dem Handelsabkommen zustimmen. Dann wäre der Weg frei, dass das Abkommen vollständig in Kraft tritt.
Damit verbunden wäre u.a. die Anerkennung der bisher noch nicht enthaltenen Sonderklagerechte für Konzerne. Dieses ermöglicht es ihnen, Staaten zu verklagen, wenn sie beispielsweise Klima- oder Verbraucherschutzmaßnahmen verschärfen oder einführen wollen oder andere Bereiche des Umweltschutzes, der Bildung, des Energiebereichs, der Kultur, der Arbeiter:innenrechte oder der öffentlichen Daseinsvorsorge im Sinne der Bevölkerung verbessern wollen.
Unser Bündnis klärte die SPD-Politikerin darüber auf, welche Gefahren in diesem Vertrag für alle Entscheidungen auf gesellschaftlichen, politischen, demokratischen Ebenen enthalten sind, die – einmal unterschrieben – nicht wieder rückgängig gemacht werden können.
Zusatzvereinbarungen nützen nichts
Frau Seitzl gab im Gespräch zu, dass Sie nicht so tief in die Materie eingearbeitet ist und daher nicht alle Tücken des Vertrags kenne. Aber aufgrund der Aussagen von Parteigenossen sei sie der Auffassung, dass alle bisherigen Kritikpunkte durch Vertragsanhänge sowie eine geplante sogenannte „Interpretationserklärung“ ausgeräumt seien.
Dies ist jedoch nicht der Fall – und darauf wies das Konstanzer Bündnis mit allem Nachdruck hin: So gibt es trotz möglicher Anhänge (die aber noch nicht vereinbart sind) weiterhin die demokratiegefährdenden Sonderklagerechte für Konzerne gegen den Staat, den Verlust des europäischen Vorsorge-Prinzips, keine einklagbaren Sanktionsmaßnahmen bei Konzernverstößen zum Beispiel gegen das Pariser Klimaschutz- Abkommen und vieles mehr.
Die von Frau Seitzl angesprochene „Interpretationserklärung“ wurde in einem Gutachten bereits als völlig unzureichend bewertet – sie verhindert mögliche Schadensersatzklagen von Unternehmen nicht. Außerdem dürfen auch weiterhin einmal beschlossene Privatisierungen (auch bei der Wasser- oder Energieversorgung der Bevölkerung) oder die Privatisierung im Personenbeförderungsbereich nicht zurück genommen werden.
Zudem besteht durch die Ausgestaltung des Vertrags als „lebendiges Abkommen“die Möglichkeit, dass Vertragsinhalte von eingesetzten Ausschüssen „angepasst“, also verändert, werden können, ohne dass die nationalen Parlamente etwas dagegen unternehmen können: Die Parlamente entmachten sich damit selbst.
All dies war MdB Seitzl nicht bewusst. Dennoch blieb sie bei ihrer Aussage, dass sie CETA im Bundestag zustimmen werde.
Kein Treffen mit MdB Jurisch und Jung
Die Vertreter:innen des Konstanzer Bündnisses vereinbarten mit der Politikerin, ihr weitere Informationen zum CETA- Abkommen zuzusenden, damit sie sich nochmals einen Eindruck über die immensen Risiken des Vertrages machen kann. Seither haben wir allerdings nichts mehr von ihr gehört.
Im Gegensatz zu Frau Seitzl lehnte die Konstanzer FDP-Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch eine persönliche Übergabe des gleichen Briefes ab. Andreas Jung, Konstanzer CDU-MdB, hatte auf die Anfrage des Konstanzer Bündnisses gar nicht erst reagiert.
Text: Carsten Trost, Fotos: Dietmar Messmer