TTIP kann in diesem Jahr scheitern

Freihandelsabkommen

2016 kann TTIP scheitern

Von Justus von Daniels

Eigentlich sollten die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen 2015 abgeschlossen sein. Doch eine Einigung ist nicht einmal in Sicht. Woran es scheitern kann.

Wenn es um die nicht erreichten EU-Ziele des Jahres 2015 geht, fällt vielen zuerst die Bewältigung der Flüchtlingskrise ein. Mindestens ebenso krachend scheiterte allerdings das Vorhaben, die Verhandlungen mit den USA über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP abzuschließen. Wird es 2016 etwas?

Unterschiedliche Standards

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten hatten noch beim Gipfeltreffen im vergangenen März einen Abschluss der Verhandlungen bis Jahresende 2015 gefordert. Aber je länger verhandelt wird, desto deutlicher werden die Unterschiede. Sicherheitsstandards bei Autos? Zu unterschiedlich, um Crashtests gegenseitig anzuerkennen. Gegenseitige Anerkennung von Kosmetikprodukten? Noch nicht einmal über Sonnencremes konnten sich die Verhandler bislang einigen. Hormonfleisch aus den USA? Die US-Fleischlobby drängt darauf, die EU-Märkte zu öffnen. Für die EU ein No-Go. Wer aber denkt, dass nur die EU dafür kämpfen muss, dass europäische Standards nicht gesenkt werden, irrt. „Die Amerikaner haben ebenfalls sehr hohe Standards, und manche sind sogar höher als unsere“, sagte jüngst EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. „Das zeigt, dass wir nicht immer die Besten sind.“ Als ein Beispiel für hohe US-Standards gelten die amerikanischen Verbraucherschutzrechte bei Finanzdienstleistungen.

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SPD bewegt sich auf CETA und TTIP zu

Die SPD hat auf ihrem Parteitag vom 10. bis 12. Dezember ihre Position zu TTIP und CETA festgelegt. Unter der Überschrift „Globalisierung gestalten – fairen Handel ermöglichen – demokratische Grundsätze gewährleisten“ stimmten die SPD-Delegierten für einen Leitantrag des SPD-Vorstandes zu den Handelsabkommen.

Die roten Linien, die vor einem Jahr von einem Konvent beschlossen wurden, werden damit in Richtung „Ja zu CETA und TTIP“ verschoben.  Die endgültige Entscheidung über eine Zustimmung soll aber auf einem weiteren Parteitag oder Parteikonvent fallen, wenn endgültige Vertragsentwürfe vorliegen. Das CETA-Abkommen soll nachverhandelt werden.

Ein Rückschritt sind die Aussagen zum Investorenschutz. Dieser wird, anders als im Konventsbeschluss, nicht mehr für überflüssig gehalten. Die Investitionsgerichtsbarkeit (ISDS) wird nun nicht mehr kritisch betrachtet. Als „Internationale Handelsgerichtshöfe“ abgewandelt und schöner verpackt wird die Paralleljustiz im neuen Beschluss akzeptiert. Dass dabei wesentliche Kritikpunkte am Schiedsgerichtssystem weiter bestehen bleiben, scheint keine Rolle mehr zu spielen: Selbst dann, wenn die RichterInnen nicht mehr von den Streit-Parteien bestimmt werden und es eine Berufungsmöglichkeit gibt.

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TTIP und CETA: Wo stehen die Verhandlungen?

Im März 2015 verkündeten Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: Die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen werden. An diesem Ziel sind die Staatschefs gescheitert. Aber wie geht es denn nun weiter mit den Verhandlungen über TTIP und CETA?

Von Karl Bär, Umweltinstitut München

TTIP-Verhandlungsstand

Verhandelt wird seit Mitte 2013. Seitdem gab es elf offizielle Verhandlungsrunden sowie eine Vielzahl an offiziellen und informellen Treffen von VerhandlerInnen beider Seiten.

Nach allem, was wir wissen, gibt es bisher kaum belastbare Ergebnisse. Nicht einmal bei Themen, die in der Öffentlichkeit wenig umstritten sind, beispielsweise die Zölle auf Industrieprodukte oder Fahrzeuge, gab es bisher eine Annäherung. Die eigentlichen Verhandlungen befinden sich noch auf dem Niveau des gegenseitigen Abtastens von Positionen in Bereichen wie Zölle, öffentliche Beschaffung, Landwirtschaft und Grenzwerte.

Die Verhandlungen laufen zudem unter erschwerten Bedingungen, weil sie inzwischen eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Insbesondere die Themen Schiedsgerichte, regulatorische Kooperation, öffentliche Daseinsvorsorge und Lebensmittelsicherheit müssen wegen der öffentlichen Aufmerksamkeit sehr vorsichtig angefasst werden.

Malmströms Nebelkerze

Mitte des Jahres zauberte Handelskommissarin Cecilia Malmström einen Vorschlag aus dem Hut, der der Kritik an den umstrittenen Schiedsgerichten den Wind aus den Segeln nehmen sollte. Demnach soll ein internationaler Investitionsgerichtshof anstelle von spontan durch Wirtschaftsanwälte besetzten Schiedsgerichten über die Klagen internationaler Investoren entscheiden.

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Andreas Zumach: TiSA torpediert Klimaschutz

Während es in Paris um Weltrettung geht, wird in Genf TiSA verhandelt. Das Freihandelsabkommen könnte den Klimaschutz torpedieren.

PARIS/GENF taz | In Paris sieht es derzeit nicht gut aus für die Kohle-, Öl- und Gaskonzerne: Immer mehr Investoren ziehen sich zurück, und ein neues Klimaabkommen könnte die Aussichten der Branche weiter verschlechtern. Doch während 193 Staaten bei der Pariser Weltklimakonferenz versuchen, einen geringeren CO2-Ausstoß zu erreichen, verhandeln 50 dieser Länder gleichzeitig hinter verschlossenen Türen in Genf über die vollständige Liberalisierung der globalen Energiemärkte im Rahmen eines neues Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (Trade in Services Agreement, TiSA).

Und genau das dürfte den fossilen Energieunternehmen deutlich besser gefallen. Das legt zumindest der vertrauliche, auf den 14. November datierte Entwurf von Norwegen und Island für das Tisa-Energiekapitel nahe, der von Wikileaks veröffentlicht wurde und der taz vorliegt. Norwegen, größtes Ölförderland in Europa, und Island, das bei der Nutzung von Erdwärme an der Weltspitze liegt, spielen beim Energiekapitel eine wichtige Rolle.

Wenn TiSA in dieser Form Wirklichkeit würde, hätten die beteiligten Staaten künftig deutlich weniger Möglichkeiten, ihre Energiepolitik nach ökologischen Kriterien auszurichten. Denn das Papier schlägt ausdrücklich eine „Technologie-Neutralität“ vor. Wenn ein Land seinen Energiemarkt für ausländische Konzerne öffnet, dann dürfe das nicht nur für einzelne Energieträger, sondern müsse für alle gelten – ganz gleich, ob es sich dabei um Solar, Atom, Wind, Kohle, Öl, Geothermie oder Fracking handelt.

Vielfältige Auswirkungen

Mexiko etwa, dessen Verfassung derzeit noch den Zugang ausländischer Konzerne zu den Ölreserven des Landes untersagt und dessen Regierung sich um ausländische Investitionen zur Errichtung von Wind- und Solarenergieanlagen bemüht, könnte diese Politik unter TiSA nicht fortsetzen.

Der norwegisch-isländische Entwurf sieht zudem das Prinzip der „Nicht-Diskriminierung“ vor: Ausländische Unternehmen dürfen also nicht schlechter gestellt werden als inländische. Die Auswirkungen solcher Nicht-Diskriminierungsregeln könnten vielfältig sein. So gibt es in Deutschland etwa den Wunsch, bei den geplanten Ausschreibungen für erneuerbare Energien lokale Bürgerprojekte oder kleine Genossenschaften zu bevorzugen, denn die Akzeptanz von Wind- oder Solarparks steigt deutlich, wenn die Menschen in der Umgebung finanziell von ihnen profitieren.

Eine solche Besserbehandlung wäre künftig nicht mehr möglich, wenn TiSA in der vorgeschlagen Weise umgesetzt würde. Jeder internationale Konzern müsste dann exakt die gleichen Rechte genießen wie eine lokale Genossenschaft.

Nach Ansicht von Kritikern würde das Abkommen es erheblich erschweren, die Ausbeutung von Rohstoffvorkommen aus ökologischen und gesundheitspolitischen Gründen oder Sicherheitsbedenken zu verhindern oder auch nur einzuschränken. Zwar sieht der Entwurf ein „Recht“ der Vertragsstaaten für Regulierungsmaßnahmen im Energiesektor vor, doch diese müssen „notwendig“, „legitim“ und „objektiv“ sein. Wenn sie diese Kriterien nicht erfüllt sehen, sollen Energiekonzerne Regierungen oder lokale Behörden verklagen können.

Auch Folgen in Deutschland

Konkrete Auswirkungen könnte das auch in Deutschland haben: Die Regierung plant derzeit ein Gesetz, wonach die umstrittene Erdgas-Fördertechnik Fracking nur unter strengen Bedingungen erlaubt sein soll. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass örtliche Behörden Fracking untersagen können, selbst wenn eine Expertenkommission keine Einwände erhebt. Vorgaben wie diese könnten künftig unmöglich sein, wenn gemäß TiSA nur „notwendige“, „legitime“ oder „objektive“ Einschränkungen erlaubt sind.

Für Victor Monetti vom International Forum on Globalization in San Francisco, der den vorliegenden Entwurf des Energiekapitels analysiert hat, steht fest: „Das ist ein Freibrief zum Fracken, überall und für jeden.“ Monetti erinnert der Entwurf in weiten Teilen an einen Vorschlag zur „Liberalisierung“ des globalen Energiesektors, den die USA bereits 2006 unter der Präsidentschaft von George Bush gemeinsam mit der EU, Australien und Saudi-Arabien im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) auf den Tisch legten.

Weil dieser Vorstoß und auch die Forderung der nördlichen Industriestaaten nach „Liberalisierung“ aller anderen Dienstleistungsbereiche in der WTO nicht durchsetzbar war, initiierten die USA, Australien und die EU 2012 die seitdem außerhalb der WTO und geheim geführten TiSA-Verhandlungen in Genf und luden dazu 20 weitere handverlesene Länder ein, nicht aber die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

Zwar sind noch keine Entwürfe anderer Verhandlungsstaaten für das Energiekapitel durchgesickert. Doch auf Grund der bisherigen Politik der USA und Australiens ist davon auszugehen, dass beide den norwegisch-isländischen Entwurf voll mittragen oder sogar noch darüber hinausgehende „Liberalisierungsforderungen“ haben. Dasselbe gilt – zumindest bis zum kürzlichen Regierungswechsel – auch für Kanada.

Aus Deutschland und anderen EU-Staaten, die den Ausstieg aus der Atomenergie oder auch aus der Kohlenutzung anstreben und sich zur Förderung erneuerbarer Energien bekennen, ist bislang kein Widerspruch zu dem norwegisch-isländischen Vertragsentwurf bekannt geworden.

Dieser Beitrag von Andreas Zumach erschien in der taz vom 4. Dezember 2015

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Das 200-Sekunden-Video zum SPD-Parteitag

Vom 10. bis 12. Dezember findet in Berlin ein SPD-Parteitag statt. Auf der Tagesordnung: Die umstrittenen „Frei“-Handelsabkommen TTIP und CETA mit ihrer privaten Paralleljustiz.

Deshalb wird SPD-Chef Sigmar Gabriel einen Kompromissvorschlag präsentieren: Anstelle der Geheimtribunale soll ein internationaler Handelsgerichtshof treten. Aber ist das besser? Hier die wesentlichen Fakten:

 

 

 

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Kein Schutz für Mindestlohn

EuGH erlaubt Kopplung der Vergabe an Mindestlohn, CETA aber nicht.

Von Thomas Fritz

17. November 2015

In seinem heutigen Urteil hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die öffentliche Hand die Vergabe von Aufträgen unter bestimmten Bedingungen von der Zahlung eines Mindestlohns abhängig machen darf. Das geplante EU-Kanada Freihandelsabkommen CETA jedoch, das als Blaupause für TTIP gilt, schützt derartige Auflagen nicht.

Die Stadt Landau hatte 2013 die Vergabe von Postdienstleistungen europaweit ausgeschrieben. Das Unternehmen RegioPost musste sie jedoch von dem Bieterverfahren ausschließen. Dieses weigerte sich nämlich, eine nach dem rheinland-pfälzischen Tariftreue-Gesetz erforderliche schriftliche Erklärung abzugeben, die dazu verpflichtete, den vergabespezifischen Mindestlohn von €8,70 zu zahlen.

RegioPost legte daraufhin Beschwerde beim Oberlandesgericht Koblenz ein. Die Koblenzer Richter vermuteten einen möglichen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit des EU-Binnenmarkts und legten diese Frage dem Europäischen Gerichtshof vor.

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„Der nächste Raubzug“, Vortrag von Andreas Zumach in Konstanz

 

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Am 6. November 2015 referierte Andreas Zumach, freier Journalist in Genf, über die „Frei“-Handelsabkommen und insbesondere TiSA, das geplante Dienstleistungsabkommen.

Zumachs Vortrag – da waren sich alle Anwesenden einig – war ein Highlight in der aktuellen Debatte. Deshalb veröffentlichen wir das Referat und die anschließende Diskussion.

Den Mitschnitt finden Sie hier: TiSA – Referat und Debatte

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Neue TiSA-Dokumente: Protokolle der Lobby-Treffen seit 2012

„Really good friends of services“ – so lautet der wohlklingende Name einer kleinen eingeschworene Gemeinschaft, die regelmäßig in Genf zusammen kommt. Parallel zum Handelsabkommen TTIP verhandelt diese illustre Runde aus Vertretern von rund 50 Ländern seit 2012 über TiSA. TiSA steht für das „Trade in Services Agreement“ – ein Dienstleistungsabkommen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU und 24 weiteren Staaten.

Ebenso wie bei TTIP klopfen seit Beginn der Verhandlungen Unternehmen an die Tür der politischen Entscheider und versuchen Einfluss auf die Verhandlungen zu nehmen. Heute veröffentliche ich 51 Dokumente von Lobbytreffen, die aus einer Informationsfreiheitsanfrage hervorgegangen sind, damit sich jeder selbst ein Bild davon machen kann, wie hier verhandelt wird und welche Gruppen dabei dominieren.

Dies ist ein Gastbeitrag von Katharina Nocun. Katharina Nocun ist Campaignerin bei Campact e.V.. Auf dem 31C3 hat sie in einen Vortrag über das Handelsabkommen TTIP und seine Auswirkungen für Datenschutz & Netzpolitik berichtet. An dieser Stelle veröffentlicht sie umfassende Dokumente von Meetings zwischen Lobbyisten und Vertretern der EU-Kommission rund um das derzeit verhandelte Dienstleistungsabkommen TiSA.

Zunächst: Was ist TiSA?

Das Dienstleistungsabkommen TiSA steht in seiner Bedeutung und Tragweite TTIP in nichts nach. Die am Verhandlungstisch vertretenen Länder kommen zusammen auf fast drei Viertel des globalen Handels mit Dienstleistungen. Der Dienstleistungssektor stellt in Deutschland fast drei Viertel der Arbeitsplätze und erwirtschaftet 69% des Bruttoinlandsprodukts.

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