Feuer mit Öl bekämpfen

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Mit CETA ein Zeichen gegen Donald Trump setzen zu wollen, ist der falsche Weg: Solche Handelsabkommen haben national-chauvinistische Populisten wie ihn erst stark gemacht.

Ein Kommentar von Marita Strasser, erschienen in der Tageszeitung taz

Fast überall auf der Welt fragen sich Regierungen, wie sie mit Donald Trump umgehen sollen. Der Wüstling im Weißen Haus kritisiert Angela Merkel auf arrogante und belehrende Art wegen ihres Umgangs mit geflüchteten Menschen, und er droht Deutschland mit Strafzöllen. Trump löst Ängste aus, um Klimaschutz, Frieden, Demokratie und Bürgerrechte. Und er schürt die Furcht vor einer Rezession.

Als Antwort darauf setzt die EU-Kommission weiterhin auf CETA und viele weitere Handelsabkommen, die mit dem Ziel verhandelt werden, Exporte zu steigern. Dass die Kommission ihrer Linie treu bleibt, ist wenig verwunderlich. Erschreckend ist, dass jetzt auch einige CETA-KritikerInnen das Abkommen plötzlich als Anti-Trump-Maßnahme sehen. Das ist verrückt: Mit CETA Trump bekämpfen zu wollen, ist in etwa so sinnvoll, wie einen Brand mit Öl zu löschen.

Denn CETA und die anderen geplanten EU-Handelsabkommen ordnen Umweltschutz und Gesundheit systematisch Exportinteressen unter und blenden Verteilungsgerechtigkeit aus. Von Handelsabkommen profitieren nie alle gleichermaßen. Aber diejenigen, die zum Beispiel ihre Jobs verlieren, werden nicht nur nicht entschädigt, sondern mit dem Sozialabbau der letzten 20 Jahre zusätzlich unter Druck gesetzt. Nicht wenige dieser Menschen zieht es zu Trump, den Brexit-Befürwortern sowie den Rechtspopulisten überall auf der Welt.

Handelsabkommen wie CETA schrän­ken demokratische Handlungsspielräume ein und untergraben die Rechtsstaatlichkeit, indem sie eine Paralleljustiz für Konzerne institutionalisieren. Angesichts der nicht nur in Europa zu beobachtenden Krise der Demokratie ist dieser Kurs unverantwortlich.

Um uns CETA schmackhaft zu machen, greifen die BefürworterInnen noch zu einem rhetorischen Kniff: Sie idea­lisieren auf gefährliche Weise die kanadische Trudeau-Regierung. So fortschrittlich sie in Fragen der Bürgerrechts- und Flüchtlingspolitik ist, so wenig gilt dies für ihren wirtschafts- und umweltpolitischen Kurs. Kanadas Regierung begrüßt Trumps Weiterbau der Keystone XL Pipeline und verwüstet ganze Landstriche, um das besonders klimaschädliche Teersandöl zu exportieren. Kanada hat eine liberale Regierung, keine progressive. Und CETA ist kein progressives Abkommen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält deshalb das Abkommen so, wie es ist, für nicht zustimmungsfähig – aus guten Gründen.

Keine einklagbaren Arbeitnehmerrechte

CETA ist aber auch ein Geschenk für Trump – als Präsident und als Mil­liar­där. Es ist ganz konkret: „America first!“ Denn von CETA profitieren US-Konzerne – darunter nicht wenige in Trumps Eigentum und seiner Minister im Kabinett der Milliardäre. Während US-Konzerne CETA nutzen können, sofern sie nur eine Niederlassung in Kanada haben, sind ihre weniger stark mit Kanada verflochtenen europäischen Wettbewerber im Nachteil. Trump und die Seinen haben mit CETA einen Zugang zum europäischen Markt mit 500 Millionen Konsumenten – die europäischen Wettbewerber haben nur den zu Kanada mit 36 Millionen.

Der große Tag für 40.000 US-Konzerne mit Niederlassungen in Kanada kommt, wenn CETA abschließend ratifiziert ist. Dann können sie gegen EU-Staaten klagen, wenn deren Politik im öffentlichen Interesse ihre Profite schmälert.

Kanada bekommt so direkte Einflussmöglichkeiten auf europäische Standards, über die sogenannte regulatorische Kooperation. Was CETA dagegen nicht bietet, sind einklagbare Arbeitnehmerrechte oder Sanktionsmechanismen zur effektiven Durchsetzung von Umweltschutzstandards.

CETA weitet den umstrittenen Investorenschutz gegenüber älteren Handelsabkommen zum Teil sogar noch aus. So können Investoren leichter gegen Bankenregulierung vorgehen als unter dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (Nafta). CETA schützt ausdrücklich die „legitimen Erwartungen“ von Investoren – ein gefährlicher Gummiparagraf.

Zudem nimmt das Abkommen Bereiche wie das Gesundheitswesen oder die Wasserversorgung nicht von Investorenklagen aus. Es drohen deshalb auch Klagen wie die 90-Millionen-Euro-Klage gegen Estland, wo sich Behörden geweigert hatten, die Wasserpreise zu erhöhen. Oder wie in einem Verfahren gegen die Slowakei, die aufgrund eines vergleichbaren Vertrags zur Zahlung von 22 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt wurde, nachdem dort Krankenversicherer verpflichtet worden waren, gemeinwohl- statt profitorientiert zu wirtschaften.

Ein löchriger Flickenteppich

Dazu passt, dass CETA die Liberalisierung im Dienstleistungsbereich erstmals nach dem Modell der „Negativliste“ regelt, was seit Langem der heißeste Wunsch von Konzernlobbygruppen war. Das bedeutet, dass grundsätzlich alle Dienstleistungen liberalisiert werden – sofern sie nicht explizit im Vertrag ausgenommen sind. Statt klarer Angaben, welche Regeln in welchen Sektoren gelockert werden, hat CETA einen löchrigen Flickenteppich von Ausnahmen. Ein Beispiel: Zwar ist die Wasserversorgung aus CETA ausgenommen, nicht aber die Entsorgung von Abwasser. Öffentliche Wasserwerke, die beides anbieten, leiden unter Rechtsunsicherheit.

Richtig ist: Europa braucht in dieser gefährlichen Zeit Freunde und Verbündete. Europa muss die Beziehungen mit Kanada und anderen Demokratien stärken, um gemeinsam gegen Autokraten zu bestehen. Reine Wirtschaftsabkommen wie CETA helfen da allerdings nichts. Sie stärken ausschließlich die Handlungsspielräume international operierender Konzerne – deren Macht ist schon jetzt zu groß.

Sollte CETA im Europaparlament oder in einem der Mitgliedstaaten scheitern, werden Stimmen laut werden, dass die EU nicht handlungsfähig ist. Aber die Europäische Union ist eine Demokratie und kein autokratisches System. In Demokratien können Vorhaben an mangelnder Zustimmung der WählerInnen scheitern. Eine der Stärken von Demokratien ist ihre Fähigkeit zu lernen. Wenn CETA scheitert, gibt es eine Chance für Handelsabkommen, die nicht mehr den Nährboden für Rechtspopulisten bilden.

 

Zur Autorin:

Marita Strasser, Jahrgang 1964, leitet das Team zu den Handelskampagnen bei der Online-­Plattform campact. Sie engagiert sich ehrenamtlich für eine verbraucherInnenfreundliche Netzpolitik.