JEFTA: Wie weiter mit dem Privatisierungsabkommen?

Ist JEFTA noch zu stoppen? Oder hat sich die EU-Taktik ausgezahlt, den Vertrag in zwei Teile zu zerlegen? Das wird die Abstimmung im EU-Parlament zeigen.

Was wird aus JEFTA, dem japanisch-europäischen Handelsabkommen? Über das Abkommen war fünf Jahre lang unter dem Einfluss von Konzernlobbyisten geheim verhandelt worden – und als die Inhalte endlich an die Öffentlichkeit gelangten, haben die Regierungen der EU den Deal auch gleich gutgeheißen. Zivilgesellschaftlichen Organisation blieb da kaum Handlungsraum.

So hatte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in einem offenen Brief den Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier aufgefordert, sich bei der Abstimmung im EU-Ministerrat zumindest zu enthalten. „Im Japanisch-Europäischen Freihandelsabkommen JEFTA sind in der derzeit vorliegenden Fassung Arbeitnehmer-, Sozial- und Umweltstandards nicht ausreichend geschützt“, hieß es im ver.di-Schreiben. „Vielmehr entfaltet es infolge der Liberalisierung weiteren Privatisierungsdruck auf die öffentliche Daseinsvorsorge und öffentliche Infrastrukturen, wie im Bereich der Wasserwirtschaft.“ Und weiter: „Verschlechterungen für die Bürgerinnen und Bürger sind nach allen gemachten Erfahrungen zu erwarten. In der vorliegenden Form fällt JEFTA hinter CETA zurück.“

In ihrem Protestbrief verweist die Gewerkschaft auf ein Positionspapier des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW vom 25. Mai 2018, das festhielt,

  • dass im Bereich Abwasserentsorgung gegenüber CETA der deutsche Vorbehalt im entscheidenden GATS-Modus entfallen ist, was zu einer Marktzugangsverpflichtung in Deutschland in diesem Bereich führt;
  • dass im Bereich der innerstaatlichen Regulierung die EU-Schutzklausel für Wasserversorgung entfallen ist, die in CETA noch enthalten war;
  • dass der CETA-Sonderartikel zu Wasser und damit auch die „Rechte in Bezug auf Wasser“ vollständig entfallen sind.

Den Minister hat dieser Einspruch der Gewerkschaft wenig gekümmert – und so befürwortete er am 26. Juni im EU-Ministerrat den JEFTA-Entwurf. Auch der SPD-Finanzminister Olaf Scholz zeigte sich unbeeindruckt. Rund 600.000 BürgerInnen hatten ihn und seine Parteichefin Andrea Nahles im Rahmen einer Campact-Aktion aufgefordert, die Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge zu verhindern – vergebens.

Und nun?

Nun liegt die Entscheidung beim EU-Parlament, das allerdings von den großen konservativen und sozialdemokratischen Fraktionen dominiert wird – es wird sich JEFTA kaum entgegenstellen. Und was ist mit den Gerichten? Könnten die sich noch querlegen? Das ist höchst unwahrscheinlich – denn dazu braucht es einen Kläger. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eine Stellungnahme des Vereins Mehr Demokratie, die wir hier wiedergeben.


Mehr Demokratie bekommt täglich Anfragen zu JEFTA. Wir warten ab, bevor wir aktiv werden. Denn: Es gibt nicht nur JEFTA, sondern auch JEFTA 2 und darin verbirgt sich die größte Demokratiegefahr… Hier erklären wir, was hinter den Kulissen passiert und wie unsere Entscheidungen zu Stande kommen:

JEFTA, das Abkommen mit dem bislang größten Handelsvolumen, liegt ausverhandelt vor. Am 17. Juli 2018 haben die EU und Japan das Abkommen unterzeichnet. Danach wird sich das EU-Parlament mit JEFTA beschäftigen: Vermutlich wird es mit großer Mehrheit zustimmen.

Die Parlamente der Mitgliedstaaten bleiben komplett außen vor – anders als beim kanadisch-europäischen Handelsabkommen CETA. Denn die EU-Kommission versteht JEFTA als ein reines EU-Abkommen (EU only).

Wir haben den Vertrag in den letzten Wochen intensiv geprüft. Jedes Abkommen ist anders. Wir wollten wissen, ob eine Verfassungsbeschwerde gegen JEFTA möglich ist.

Unsere Erfahrung ist: Ein Gerichtsverfahren ist besonders wirkungsvoll, denn 1. klärt es Grundsatzfragen der Demokratie auch für zukünftige Abkommen und 2. kann kein/e Politiker/in so einfach die Leitplanken durchbrechen, die das Verfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof aufstellen.

Zurück zu JEFTA. Hier hilft der Vergleich zur CETA-Klage. Darin haben wir vier Punkte vors Verfassungsgericht gebracht:

  1. Die Paralleljustiz
  2. Die vorläufige Anwendung
  3. Das fehlende Vorsorge-Prinzip
  4. Die undemokratischen Ausschüsse

Unsere Analyse zu JEFTA ergibt:

  • Direkt in JEFTA gibt es keine Schiedsgerichte. Diese werden in einem gesonderten Verfahren verhandelt.
  • JEFTA wird nicht vorläufig angewendet, sondern tritt als reines EU-Abkommen sofort in Kraft. Damit fällt die vorläufige Anwendung als ein Kritikpunkt vor Gericht weg.
  • Das Vorsorgeprinzip ist auch in Japan eines der Grundprinzipien der Gesetzgebung. Die fehlende Klarstellung im Vertrag wird vermutlich keinen weitreichenden Schaden verursachen.
  • Der letzte und wichtigste Anknüpfungspunkt sind die undemokratischen Ausschüsse: Laut unserem Rechtsgutachter Prof. Dr. Wolfgang Weiß haben die JEFTA-Ausschüsse weniger Rechte als die CETA-Ausschüsse.

Es verbleibt also unserer Einschätzung nach zu wenig Angriffsfläche für eine aussichtsreiche Verfassungsbeschwerde.

Doch:

Nur weil ein Abkommen nicht verfassungswidrig ist, ist es noch kein gutes Abkommen. Politisch setzt sich Mehr Demokratie als Teil des „Netzwerks gerechter Welthandel“ deshalb trotzdem kritisch mit JEFTA auseinander.

Das wichtigste kommt noch: JEFTA 2. Die EU-Kommission hat hinzugelernt und bei JEFTA die umstrittenen Klagemöglichkeiten von Konzernen abgetrennt. Das Schiedsgerichtssystem wird in einem gesonderten Investitionsschutzabkommen verhandelt = JEFTA 2. Dieses Abkommen muss auch von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Es kann vors Bundesverfassungsgericht gebracht werden. Darauf warten wir. Denn eins ist klar: Wir brauchen keine Paralleljustiz zwischen demokratischen Staaten.