„Grüne müssen klarmachen, auf welcher Seite sie stehen“

Aufkleber der kanadischen CETA-KritikerInnen

Rund dreißig Verbände, Organisationen und Initiativen fordern von der hessischen Landesregierung, das CETA-Abkommen zu kippen. Ein Gespräch mit Felix Hoffmann, Vorstandsmitglied des Verein Mehr Demokratie e.V., erschienen in der Tageszeitung „Junge Welt“.

Interview: Gitta Düperthal

Der Widerstand gegen ­CETA hält an, auch in Hessen: Etwa dreissig Verbände und Bündnisse sowie bundesweit agierende Organisationen fordern die dortige Landesregierung in einem offenen Brief dazu auf, das Handelsabkommen der EU mit Kanada zu stoppen. Ist die Forderung realistisch?

Es gibt eine Chance, CETA zu kippen. Alle Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten müssen das Abkommen ratifizieren, in Deutschland ist hierfür die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat erforderlich. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist nachzulesen, dass der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD zustimmen wird. Aber im Bundesrat sieht es anders aus; insbesondere wegen der Landesregierungen, an denen Grüne und Linke beteiligt sind. Das ist auch der Grund, weshalb wir jetzt die hessische Landesregierung aus CDU und Grünen auffordern, im Koalitionsvertrag – der vor Weihnachten ausgehandelt sein soll – ihre Ablehnung des Abkommens festzuschreiben oder sich zumindest zu enthalten. Letzteres ist üblich, wenn sich Koalitionspartner nicht einigen können. Das wäre auch in Ordnung, weil eine Enthaltung wie eine Ablehnung zählt.

CETA wird seit September 2017 zu großen Teilen vorläufig angewandt. Wie ist das Abkommen zu verhindern?

Wir wissen weder, wann der Bundesrat darüber abstimmt, noch kennen wir die Mehrheitsverhältnisse in den Ländern, wenn es soweit sein wird. Klar ist: Wenn 35 Stimmen von 69 im Bundesrat sich enthalten oder das Abkommen ablehnen, ist es von Deutschland aus zu verhindern. Derzeit könnte eine Enthaltung aller Länder mit grüner oder linker Regierungsbeteiligung das Abkommen zu Fall bringen.

Die hessischen Grünen gelten in bezug auf Wahlversprechen als wenig verlässlich. Wie oft haben sie schon versprochen, den Ausbau des Rhein-Main-Flughafens zu stoppen! Passiert ist aber nichts …

Es stellt sich bei der Partei generell die Frage, wie sie sich verhält. Großdemos gegen CETA haben die Grünen mitgetragen. Auch ihre Basis positioniert sich dagegen. Im Bundesrat hat Hessen fünf Stimmen, ist also eine relevante Kraft. Deshalb dringen wir darauf, dass die Grünen klarmachen, auf welcher Seite sie stehen. In Schleswig-Holstein etwa wird sich die Landesregierung unter Beteiligung der Grünen enthalten.

Mit welchen Argumenten wollen Sie die Landesregierung überzeugen?

Erstens: Bei CETA vorgesehene Sonderklagerechte schränken die demokratischen Handlungsspielräume der Politik ein. Zweitens: Öffentliche Dienstleistungen der Kommunen können danach zunehmend privatisiert werden, die Daseinsvorsorge wäre somit gefährdet. Drittens: Das dem europäischen Umwelt- und Verbraucherschutz zugrundeliegende Vorsorgeprinzip ist in CETA nicht ausreichend geschützt. Viertens: Undemokratische Regulierungsausschüsse unterlaufen parlamentarische Entscheidungen. So greift Kanada etwa im Ausschuss zur Landwirtschaft das Vorsorgeprinzip im europäischen Pestizidrecht an. Die Debatte dort findet ohne gewählte Abgeordnete statt und ohne dass Journalisten eine kritische Öffentlichkeit herstellen können.

Was ist gegen die Freihandelsabkommen zu tun?

Es gilt, immer wieder öffentlich an die Verantwortung der Landesregierungen zu appellieren. Wir haben eine Verfassungsbeschwerde gegen CETA eingereicht. Wir vermuten, dass das Bundesverfassungsgericht an den Europäischen Gerichtshof weiterverweisen wird. Die Entscheidung kann sich noch Jahre hinziehen.

Wie ist der Stand bei den anderen Handelsabkommen: TTIP mit den USA, JEFTA mit Japan und TiSA für den Dienstleistungsbereich?

Alle können noch verhindert werden. Aktuell ist JEFTA in der Debatte, das – anders als CETA – ein sogenanntes „EU-only“-Abkommen ist: Die Europäische Union kann es alleine ratifizieren, es bedarf keiner Zustimmung der Parlamente der Mitgliedsstaaten. Im Juli wurde das Abkommen formal unterzeichnet. Jetzt kommt es auf die Mitglieder des Europäischen Parlaments an, JEFTA zu stoppen. Die Abstimmung soll noch im Dezember stattfinden.