EU-Parlament: Nein zu TTIP 2.0

Am vergangenen Donnerstag hat das EU-Parlament der Kommission das Mandat zur Wiederaufnahme der Handelsgespräche mit Washington verweigert. Entscheidend für den Beschluss war unter anderem die Sorge um den Klimawandel. Allerdings müssen sich die EU-Mitgliedstaaten nicht an das Votum halten.

Die Abgeordneten votierten am 12. März 2019 in Straßburg mit 223 zu 198 Stimmen und 37 Enthaltungen gegen eine entsprechende Entschließung, nachdem eine Gruppe ParlamentarierInnen eine Änderung des Textes durchgesetzt hatte. Bei der Abstimmung ging es um die Frage, ob die gewählte Vertretung der BürgerInnen die von den USA nach Trumps Wahl zum US-Präsidenten unterbrochenen Gespräche über das Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen TTIP gutheißen. Die Mehrheit war dagegen.

Bereits im Vorfeld der Debatte hatten viele Organisationen vor den Folgen einer Wiederauflage gewarnt. So forderte beispielsweise der Österreichische Gewerkschaftsbund ÖGB alle Abgeordneten auf, „ein TTIP in Etappen zu verhindern“, wie es Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, formulierte. Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer hatten an die österreichischen Mitglieder des EU-Parlaments per Brief und via Twitter appelliert, keine Handelsabkommen mit Ländern zu verhandeln, die sich nicht an die wichtigsten internationalen ArbeitnehmerInnen-Schutzstandards halten. Außerdem, so  Achitz, „muss klargestellt werden, dass nicht über Investitionsschiedsgerichte verhandelt wird, dass öffentliche Dienstleistungen ausgenommen werden, und dass soziale Standards nicht sinken.“ Dazu muss das alte Mandat widerrufen werden.

Ebenso müsse bedacht werden, so der ÖGB-Sprecher, dass eine Rücknahme des Mandats auch wegen der komplett unterschiedlichen Verhandlungsziele geboten sei. Die USA peilen ein umfassendes Abkommen unter Einbeziehung landwirtschaftlicher Produkte samt Lebensmittel, Dienstleistungen an. Sogenannte „Handelshemmnisse“ aufgrund unterschiedlicher Regulierungen und Standards in den USA und der EU wollen die USA abschaffen. Und damit sei zu befürchten, dass letztlich Hormonfleisch und gentechnische veränderte Produkte doch noch auf den Verhandlungstisch kommen.

USA gegen Arbeitsschutz

Darüber hinaus „darf es Handelsabkommen nur mehr mit Ländern geben, die die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO anerkennen und umsetzen“, erläuterte Achitz eine weitere ÖGB-Bedingung: „Die USA haben aber nur zwei der acht ILO-Kernarbeitsstandards ratifiziert.“ Verbindliche und dem Streitbeilegungsverfahren unterliegende Bestimmungen zu den ILO-Mindestarbeitsnormen sind in die Abkommen aufzunehmen, um den Senkungswettbewerb von sozialen Standards einzuschränken. Außerdem hat das EU-Parlament beschlossen, dass bilaterale Handelsverhandlungen nur noch mit Ländern geführt werden sollen, die das Klimaschutzabkommen ratifiziert und umgesetzt haben. Achitz: „Diese rote Line darf nicht aufgegeben werden.“

Das globalisierungskritische Netzwerk attac Österreich begrüßte das Abstimmungsergebnis im EU-Parlament und forderte danach die österreichische Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene gegen eine Wiederaufnahme von Verhandlungen auszusprechen. Eine Einigung der letztlich zuständigen EU-Regierungen würde den Weg für ein TTIP 2.0 machen und die Interessen der europäischen Automobilindustrie über Klimaschutz und Demokratie stellen, kritisiert Attac.

Die Organisation sieht auch im Mandatsentwurf der Kommission über eine regulatorische Zusammenarbeit von Standards und Regulierungen (genannt „Konformitätsbewertung“) eine Bedrohung für das Allgemeinwohl. Wichtige Regulierungen und Gesetze zum Schutz von Umwelt und Gesundheit (etwa bei Gentechnik, Chemikalien und Pestiziden) sind darin nicht ausgenommen. „Eingriffe in Regulierungen im öffentlichen Interesse haben in Handelsabkommen, die Mensch und Umwelt ins Zentrum stellen, grundsätzlich nichts verloren“, kritisiert die attac-Sprecherin Strickner.

Berlin will an TTIP-Verhandlungen festhalten

attac kritisiert weiter, dass das alte TTIP-Mandat aus dem Jahr 2013 noch immer nicht annuliert wurde, wodurch den Verhandlungen selbst bei Sonderklagerechten für Konzerne, regulatorischer Kooperation oder Dienstleistungen keine formalen Grenzen gesetzt sind.

Die ursprüngliche Entschließung empfahl den Mitgliedstaaten, der EU-Kommission unter bestimmten Umständen ein Mandat für Verhandlungen mit der Regierung in Washington zu erteilen. Eine Gruppe von Grünen-Politikern und Europaskeptikern brachte jedoch einen Änderungsantrag ein, der ein Verhandlungsmandat „in der aktuellen Form“ ablehnt.

Durch die Annahme dieses Änderungsantrags stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten de facto gegen eine Aufnahme von Handelsgesprächen mit den USA. Der veränderte Gesamttext fand anschließend auch keine Mehrheit. Dennoch ist die deutsche Regierung für eine baldige Aufnahme der Gespräche.

Die Entscheidung, die Kommission mit Gesprächen zu beauftragen, liegt am Ende in den Händen der Mitgliedstaaten. Die Entschließung des Parlaments ist nur eine Empfehlung.