Investitionsschutz: Vorreiter Deutschland

Staaten, mit denen Deutschland ein bilaterales Investitionsschutzabkommen abgeschlossen hat

Die deutsche Industrie feiert ein Jubiläum: Vor genau 60 Jahren wurde das allererste bilaterale Investitionsabkommen unterzeichnet – und zwar am 25. November 1959 zwischen Deutschland und Pakistan. Seither haben diese bilateralen Investitionsabkommen (BIT) einen weltweiten Siegeszug angetreten – knapp 3000 Abkommen haben Staaten weltweit unterzeichnet, davon sind mehr als 2300 in Kraft. Allein Deutschland hat 140 dieser Abkommen unterschrieben, wovon 129 derzeit wirksam sind. Damit ist Deutschland Weltmeister bei der Unterzeichnung von BITs.

Die deutschen Regierungen haben diese BITs, die es Firmen erlauben, Staaten zu verklagen, wenn sie ihre Gewinnerwartung gefährdet sehen, vor allem mit Entwicklungsländern abgeschlossen. Was diese anrichten können, zeigte das Beispiel Siemens gegen Argentinien.

2002 verklagte Siemens Argentinien auf über 460 Millionen US-Dollar, weil das Land einen milliardenschweren Vertrag aus dem Jahr 1999 zur Bereitstellung eines Systems für elektronische Passkontrolle gekündigt hatte. Der Grund: Argentinien hatte Ende 2000 Notfallgesetze erlassen, um der schlimmsten sozialen und ökonomischen Krise seiner jüngeren Geschichte zu begegnen. Diese Notfallgesetze erlaubten es dem Präsidenten, Verträge neu auszuhandeln und zu kündigen, um die dadurch frei werdenden Gelder in die Bekämpfung der grassierenden Massenarmut – von der zu diesem Zeitpunkt über 50 % der Bevölkerung betroffen waren – zu investieren.

Das Schiedsgericht argumentierte in seiner Entscheidung jedoch im Einklang mit dem Konzern und verurteilte Argentinien zu einer „Schadensersatzzahlung“von mehr als 235 Millionen US-Dollar sowie zur Übernahme von 75 Prozent der gesamten Prozesskosten. Es befand, dass die argentinische Regierung mit ihrer Maßnahme gegen eine Reihe von Klauseln im deutsch-argentinischen BIT verstoßen habe, unter anderem gegen die gerechte und billige Behandlung und gegen den Schutz vor willkürlichen Maßnahmen. Zudem handele es sich um eine Enteignung, denn auch immaterielle Werte, wie ein Vertrag, könnten enteignet werden. Das Schiedsgericht widersprach der argentinischen Regierung, dass es sich um eine Maßnahme im öffentlichen Interesse gehandelt habe, und argumentierte mit den diesbezüglich strengen Festlegungen im BIT, die keine Ausnahmen vorsähen.

2009 verzichtete Siemens auf die Auszahlung des Geldes, da herausgekommen war, dass der Konzern den Vertrag nur aufgrund massiver Bestechungszahlungen (je nach Quellenangabe zwischen 40 Millionen und fast 100 Millionen US-Dollar) an argentinische Funktionäre erhalten hatte. Unter denEmpfängern der Gelder war auch der damalige Präsident des Landes, Carlos Menem.

Trotzdem: Die Frechheit, mit der Siemens agierte, war nur möglich, weil die Politik Firmen den Weg zur Bereicherung via Investitionsschutz frei machte.


Dies ist ein Auszug aus dem Faltblatt „Deutschlands Investitionsabkommen unter der Lupe“, hier nachzulesen: Deutschlands-Investitionsabkommen

Noch ausführlicher ist die Borschüre „60 Jahre bilaterale Investitionsabkommen – eine kritische Bilanz“, herausgegeben vom BUND, Greenpeace, Forum Umwelt und Entwicklung und PowerShift: 60-Jahre-bilaterale-Investitionsabkommen-Eine-kritische-Bilanz