Stoppen die Niederlande das CETA-Abkommen?

Die EU-Staaten sollten das Abkommen zwischen EU und Kanada nicht ratifizieren. Es hat zu viele Nachteile. Das haben auch viele PolitikerInnen in den Niederlanden verstanden. Die Debatte dort beschreibt Lia Polotzek vom BUND in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau.

Trotz der großen Proteste vor drei Jahren ist das Wirtschafts- und Handelsabkommen der EU mit Kanada, kurz CETA, auf EU-Ebene bereits verabschiedet worden. Es wird mittlerweile vorläufig angewandt. Damit es in Kraft treten kann, müssten es die Parlamente der EU-Staaten ratifizieren. In den Niederlanden regt sich gerade dagegen Widerstand.

Eine Kampfabstimmung um das Abkommen gab es schon im Sommer im französischen Parlament. Nur mit knapper Mehrheit wurde CETA im Juli ratifiziert. Im Vorhinein protestierten mehr als 70 Organisationen, darunter sowohl Bauern- als auch Umweltverbände. Bisher hat nicht mal die Hälfte der EU-Staaten CETA auf nationaler Ebene ratifiziert.

Das niederländische Parlament wollte Mitte Dezember über CETA abstimmen. Die Ratifizierung wurde aber auf Januar verschoben. Die Partei Christen Unie, die als dritter Koalitionspartner an der Regierung beteiligt ist, hat eine Verschiebung und Bedenkzeit angemeldet.

Schon 2016 hatte die Partei Christen Unie sich gegen CETA ausgesprochen. Derzeit sieht es so aus, als ob das niederländische Parlament Ende Januar über CETA entscheiden wird. Sollte die Christen Unie gegen CETA stimmen, würde das Abkommen wohl nicht ratifiziert werden.

Es gibt viele gute Gründe, das Abkommen abzulehnen. In den Niederlanden werden besonders die Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die Paralleljustiz für Konzerne diskutiert. Denn CETA öffnet die Agrarmärkte der EU und vervielfacht den Import von billigem Rind- und Schweinefleisch aus Kanada. So wird enormer Druck auf die Landwirtschaft in der EU ausgeübt. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der mit dem angekündigten Assoziierungsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten bereits ein weiterer Vertrag mit erheblichen Nachteilen für die europäische Landwirtschaft in den Startlöchern steht. Das Mercosur-Abkommen soll im nächsten Jahr auf EU-Ebene verabschiedet werden und müsste wie CETA im Anschluss auch von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.

Das umstrittenste Element im Vertrag sind jedoch die Investor-Staat-Schiedsgerichte. Diese ermöglichen es ausländischen Investoren, vor einem Schiedsgericht gegen einen Staat zu klagen, wenn gesetzliche Regelungen zu künftigen Gewinneinbußen für den Investor führen könnten. Skandalös ist: Dies könnte auch Gesetze zum Schutz der Umwelt oder von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern betreffen.

Auf Grund der großen europaweiten Proteste von Hunderttausenden von Menschen wurde das Schiedsgerichtssystem in CETA reformiert. Diese Reformen bleiben jedoch oberflächlich. So wurde zwar mehr Transparenz vereinbart und eine Berufungsinstanz geschaffen. Dies ändert jedoch nichts an dem zugrunde liegenden Problem, dass ausländische Investoren ganze Staaten vor einer Paralleljustiz auf Schadenersatz verklagen können.

In den Niederlanden zeigt sich gerade, wie gefährlich Investor-Staat-Schiedsgerichte für den Klima- und Umweltschutz werden können. Das deutsche Unternehmen Uniper hat angekündigt, den niederländischen Staat aufgrund des dortigen Kohleausstiegs vor einem Investor-Staat-Schiedsgericht zu verklagen. Auch das deutsche Unternehmen RWE prüft angeblich solche Schritte.

Beide Klagen könnten aufgrund eines bestehenden Investitionsschutzabkommens, dem Energie-Charta-Vertrag, durchgeführt werden. Das zeigt deutlich: Es ist unverantwortlich, in einer Zeit, in der wir vor der Herausforderung stehen, unsere Wirtschaft klima- und umweltfreundlich umzubauen, weitere Verträge abzuschließen, die es Konzernen möglich machen, in die Staatskassen zu greifen und sich an Steuern zu bereichern.

Deutschland macht gerade eine ähnlich schmerzliche Erfahrung. Das schwedische Energieunternehmen Vattenfall verklagte die Bundesrepublik Deutschland 2012 vor einem Investor-Staat-Schiedsgericht, nachdem Deutschland bekanntgegeben hatte, aus der Atomkraft auszusteigen. Wegen der Stilllegung der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel klagte das Unternehmen auf stolze 4,7 Milliarden Euro Schadenersatz – der Streitwert liegt plus Zinsen mittlerweile weit darüber. Vermutlich wird im kommenden Jahr darüber entschieden.

Auch in Deutschland wurde CETA noch nicht ratifiziert, denn noch sind Verfahren gegen CETA beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Entscheidungen werden auch hier im Laufe des nächsten Jahres erwartet. Danach haben Bundestag und Bundesrat noch die Möglichkeit, CETA zu blockieren. Wenn CETA nicht schon in den Niederlanden verhindert wird, müssen wir es unbedingt in Deutschland stoppen!


Lia Polotzek leitet die Abteilung Wirtschaft, Finanzen und Handel beim BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland).