Aktuelles zur EU-Handelspolitik

Über 836.000 Unterschriften übergaben Mitglieder mehrerer Bündnisse Ende Januar an das Bundeswirtschaftsministerium, inzwischen ist die endgültige Zahl sogar auf 847.000 angestiegen. So viele Menschen aus ganz Europa unterstützen unsere Kampagne, die sich gegen die Paralleljustiz für Konzerne richtet. Sie alle sagen: Wir brauchen keine Sonderklagerechte für Konzerne, die deren Macht noch vergrößern. Was wir brauchen, sind gesetzliche Regelungen, mit denen Konzerne für Menschenrechtsverstöße und Umweltschäden zur Rechenschaft gezogen werden können.

Mit im Gepäck hatte das Netzwerk Gerechter Welthandel einen Brief an Wirtschaftsminister Altmaier, sowie eine drei Meter große Waage: Sie sollte deutlich machen, dass  die Rechte von Menschen und Umwelt schwerer wiegen müssen als die Rechte von Konzernen!

Konkret fordern die KritikerInnen die Bundesregierung sowie die EU-Kommission dazu auf, keine Handels- und Investitionsabkommen mehr abzuschließen, die Sonderklagerechte für Konzerne enthalten, und sich aus den bestehenden Abkommen zurückzuziehen. Auch die Einrichtung eines „Multilateralen Investitionsgerichtshofs“ lehnen wir ab, denn auch dieser wäre lediglich international tätigen Konzernen zugänglich und würde das ungerechte Paralleljustiz-System ausweiten. Von der Bundesregierung fordern wir insbesondere die Ablehnung der vollständigen Ratifizierung des EU-Kanada-Abkommens CETA!

Außerdem soll sich die Bundesregierung für die Verabschiedung eines UN-Abkommens für Wirtschaft und Menschenrechte (Binding Treaty) sowie für ein nationales Lieferkettengesetzes einsetzen. Dieses würde dafür sorgen, dass Konzerne in Auslandsgeschäften die Menschenrechte sowie Umwelt- und Sozialstandards achten müssen, und dass Betroffene von Menschenrechtsverstößen durch Konzerne Zugang zu Gerichten haben.

 

Weitere Nachrichten:

1. „Die Goldene Klobürste“ an Vattenfall und Uniper

Ebenfalls im Januar hat das Netzwerk den Negativpreis „Die goldene Klobürste“ an zwei Konzerne verliehen, die mit Konzernklagen den Klimaschutz und die demokratische Energiepolitik torpedieren. Preisträger wurden die Energiekonzerne Vattenfall und Uniper!

Vattenfall zog bereits mehrfach vor private Schiedsgerichte, um seine Konzerninteressen durchzusetzen – und fordert aktuell über sechs Milliarden Euro Entschädigung für den deutschen Atomausstieg. Uniper hat angekündigt, die Niederlande auf Entschädigung für den Kohleausstieg zu verklagen und stellt sich damit gegen den Klimaschutz.

Daher protestierten Attac, BUND, Greenpeace, NaturFreunde, das Netzwerk Gerechter Welthandel, das Plenum des Berliner Energietisches sowie PowerShift im Januar vor den Türen des Handelsblatt-Energiegipfels in Berlin, an dem Vattenfall-CEO Magnus Hall sowie Uniper-Vorstandsvorsitzender Andreas Schierenbeck als Referenten teilnahmen. Unseren Preis wollten sie nicht persönlich entgegen nehmen – doch unsere Botschaft wurde nach innen übertragen. Auch die RBB Abendschau berichtete über die Aktion.

2. Stop CETA in Hamburg!?

Ende nächster Woche findet die Bürgerschaftswahl in Hamburg statt. Die Wahl hat Auswirkungen weit über die Landespolitik hinaus, denn sie beeinflusst auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat – und dieser wird noch über die Ratifizierung des EU-Kanada-Abkommens CETA abstimmen. Die zukünftige Hamburgische Regierung bestimmt also maßgeblich mit, ob CETA vollständig in Kraft tritt und international tätigen Konzernen damit Sonderklagerechte gegen die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten verleiht!

Im Vorfeld der Wahlen befragten wir daher SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, Die LINKE sowie FDP nach ihren Positionen zu CETA. Das Ergebnis: Die LINKE Hamburg lehnt das Abkommen klar ab, auch Bündnis90/Die Grünen hält an ihrer Beschlusslage fest, CETA „mit dem derzeitigen Vertragstext abzulehnen“. Sollten diese Parteien an einer neuen Regierung beteiligt sein, gilt es, sie auf diese Position festzulegen. Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung verfügen derzeit über 37 Stimmen im Bundesrat; 35 Nein-Stimmen oder Enthaltungen sind nötig, um CETA zu stoppen. Insbesondere mit den Stimmen der Grünen kann CETA im Bundesrat daher noch gestoppt werden! Die vollständigen Antworten der Parteien sowie unsere Auswertung haben wir in einem Blogbeitrag zusammengefasst.

Auf dem Portal abgeordnetenwatch.de wurden zudem die Spitzenkandidatin Katharina Fegebank sowie die Kandidat*innen Lisa Kern, Olaf Duge und Maryam Blumenthal nach ihren Positionen zu CETA befragt.

Auch der Zukunftsrat Hamburg hat das Thema in den Wahlkampf eingebracht. Unter dem Titel „Gerechter Handel – Hamburgs globale Verantwortung ist unvereinbar mit CETA“ zeigt er auf, dass CETA  in mehrfacher Hinsicht gegen die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 verstößt.

Spannend ist auch die aktuelle CETA-Debatte im niederländischen Parlament. Ende letzte Jahres hatten die holländischen Sozialdemokraten angekündigt, gegen CETA zu votieren. Das niederländische Unterhaus erörterte gestern bis spät in die Nacht das Handelsabkommen der EU mit Kanada. Heute wird die Debatte fortgesetzt, nächste Woche wird dann darüber abgestimmt. Die Debatte im Unterhaus ist von entscheidender Bedeutung, um Unterstützung vom kleinsten Koalitionspartner der Regierung zu erhalten, der Mitte-Rechts-Union, die die Auswirkungen des Abkommens auf die niederländischen Landwirte fürchtet. Die Christliche Union hat jedoch angekündigt, erst Anfang nächster Woche über ihre endgültige Haltung zu entscheiden.

Zu der Debatte veröffentlichten Foodwatch und das Council of Canadians eine Studie (in englischer Sprache), die belegt, dass Kanada CETA nutzt, um europäische Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit anzugreifen.

3. EU-Parlament stimmt für EU-Vietnam-Abkommen

Gestern stimmte das EU-Parlament über das Handels- und das Investitionsschutzabkommen der EU mit Vietnam ab. Mit 401 zu 192 Stimmen votierten die Abgeordneten mit deutlicher Mehrheit für das EU-Vietnam-Handelsabkommen. Für das Investitionsschutzabkommen stimmten sogar 407 Abgeordnete, 188 stimmten dagegen.

Die Abgeordneten von CDU, CSU und FDP stimmten nahezu geschlossen für beide Abkommen, die Abgeordneten der Linkspartei sowie der Grünen votierten geschlossen dagegen. Die Sozialdemokraten teilen sich in der Frage der Handels- und Investitionsabkommen zunehmend in zwei Lager: Zwar stimmte Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses, für die Abkommen – doch nur die Hälfte der Fraktion folgte dieser Entscheidung. Sieben der 16 SPD-Abgeordneten votierten mit „Nein“, eine beziehungsweise zwei Abgeordneten enthielten sich.

Das klare Ergebnis für die Abkommen ist enttäuschend und entlarvt auch die inneren Widersprüche des EU-Parlaments. Denn erst Mitte Januar verabschiedete es eine Resolution, der zufolge „alle internationalen Handels- und Investitionsabkommen starke, verbindliche und durchsetzbare Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung, einschließlich Klima und Umwelt, enthalten (sollten), die die internationalen Verpflichtungen, insbesondere das Pariser Abkommen, voll und ganz respektieren“. Dies ist beim Handels- und beim Investitionsabkommen der EU mit Vietnam nicht gegeben!

Die Menschenrechtssituation in Vietnam ist besorgniserregend, und das Handelsabkommen enthält keinerlei durchsetzungsfähige Verpflichtung, diesen Zustand zu ändern. Menschenrechtsorganisationen hatten daher auch gefordert, die Ratifizierung zu verschieben, bis das Land seinen Verpflichtungen zur Einhaltung der Menschenrechte nachkommt.

Das im Abkommen verankerte Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung ist zahnlos, denn es enthält keinen Sanktionsmechanismus und ist vom Streitbeilegungsmechanismus des Abkommens ausgeschlossen. Auch eine „Vorrangklausel“, die sicherstellt, dass internationale Abkommen zu Menschenrechten sowie zum Umwelt- und Klimaschutz Vorrang vor Freihandels- und Investitionsregeln haben, ist im Abkommen nicht enthalten. Das Investitionsabkommen, über das separat abgestimmt wurde, führt zudem die scharf kritisierte Tradition der Paralleljustiz für Konzerne fort.

Im Vorfeld der Entscheidung hatte sich ein breites Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen an die Abgeordneten gewandt mit der Forderung, das Abkommen nicht zu ratifizieren. Dass sie eben dies doch getan haben, ist eine schlechte Nachricht für Menschenrechte, Arbeitsstandards, Umwelt und Klima!

Das Handelsabkommen wird recht bald in Kraft treten. Das Investitionsabkommen jedoch  muss erst noch von den Parlamenten aller EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.

4. Das EU-Mercosur-Abkommen

Weiterhin steht das Abkommen der EU mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay stark in der Kritik. Kürzlich hat auch das Regionalparlament der belgischen Region Wallonien einstimmig beschlossen, das Abkommen abzulehnen. Und aus der Debatte über CETA wissen wir, dass die belgische Regierung in ihrer Entscheidung die Regionalparlamente berücksichtigen – und sich gegebenenfalls enthalten muss, wenn keine gemeinsame Position der Regionalparlamente vorliegt. Der Ministerpräsident der Wallonie, Elio di Rupo, kritisierte insbesondere die massive Steigerung der Rindfleischimporte sowie die befürchtete Absenkung von Standards bei Chemikalien und gesundheitlichen Produkten.

EU-Kommission und Bundesregierung wollen das Abkommen weiterhin abschließen, bereits in der zweiten Jahreshälfte könnte es unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in den Ministerrat eingebracht werden. Daher gilt es, unsere Forderung nach einer Ablehnung des Abkommens noch stärker zum Ausdruck zu bringen! Mitte Januar nahmen bereits über 27.000 Menschen an der „Wir haben es satt!“-Demonstration in Berlin teil und setzten sich ein für die Agrarwende, für bäuerliche Landwirtschaft, Klimaschutz und ein Veto zum EU-Mercosur-Abkommen.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund hat mittlerweile eine Position zum Abkommen veröffentlicht und fordert, die Ratifizierung des Abkommens „unter den gegebenen Umständen und in dieser Form nicht zu unterstützen“.

Am letzten Montag diskutierten rund 60 Personen unter dem Titel „Gerechter Welthandel statt ‚Fleisch für Autos‘-Deals!“ auf einem zivilgesellschaftlichen Ratschlags-Treffen zum EU-Mercosur-Abkommen über mögliche Aktivitäten in Deutschland.