Teuer erkauft: Der deutsche Kohleausstieg und die Energiecharta

Der von der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD beschlossene Kohleausstieg 2038 kommt nicht nur mindestens acht Jahre zu spät, sondern kostet unnötige Steuer-Milliarden. Der Energiecharta-Vertrag setzte die Bundesregierung unter Druck: Ohne Entschädigungen plus über eine Milliarde Euro für einen Klageverzicht drohte die Gefahr einer Klage des Energiekonzerns LEAG vor privaten Schiedsgerichten. Gemeinsam mit neun Partnerorganisationen veröffentlichte das Münchner Umweltinstitut deshalb letzte Woche ein Briefing. Es bringt auf den Punkt, warum der deutsche Kohleausstieg teuer erkauft wurde – und warum wir dringend aus der Energiecharta aussteigen müssen, um eine totale Blockade der Energiewende zu verhindern.

Am 3. Juli 2020 war es soweit: Der Bundestag beschloss endlich den Ausstieg aus der Kohle – jedoch erst nach 18 weiteren Jahren. Bis 2038 wurde damit die Verbrennung von Kohle finanziell abgesichert. Dabei hat die GroKo sogar die Abschlussempfehlung der sogenannten „Kohlekommission“ missachtet, denn diese sah unter anderem keine neuen Kohlekraftwerke mehr vor. Selbst Kraftwerke, deren Abschaltung bereits abzusehen war, werden nun lukrativ entschädigt. Stolze 4,35 Milliarden Euro fließen an die Energiekonzerne RWE und LEAG.

Energiecharta: Blockade der Energiewende

Kaum Thema der öffentlichen Auseinandersetzung ist bislang, welche Rolle der Energiecharta-Vertrag bei den Entschädigungszahlungen spielte. Doch die Milliardengelder an die LEAG zahlte die Bundesregierung wohl auch, weil sie Angst vor einer Klage des Unternehmens vor privaten Schiedsgerichten hatte. Die LEAG ist Teil eines Konzernverbunds mit Sitz in Prag. Als ausländisches Unternehmen kann die LEAG mit Hilfe des Energiecharta-Vertrages gegen Deutschland vorgehen. Begründung: getätigte Investitionen seien durch den Kohleausstieg bedroht.

Wie viel Geld die Bundesregierung genau für den Klageverzicht zahlte, will sie nicht kommentieren. Die Höhe der Gelder an die LEAG bestimmte die Bundesregierung anhand einer sogenannten „formelbasierten Entschädigungslogik“. Welche Faktoren dabei wie gewichtet wurden, ist nicht öffentlich. Auf Nachfrage des Rechercheverbundes „Investigate Europe” teilt die Bundesregierung jedoch mit:

„Die Qualität und der Umfang des Rechtsbehelfsverzichts haben bei der Entschädigungsdiskussion sicherlich eine Rolle gespielt, sie waren jedoch nicht allein maßgeblich.“ 

Um sich gegen die Kritik zu wehren, die Bundesregierung würde die Kohlekonzerne zu hoch entschädigen, beauftragte diese die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft „Ernst & Young“ mit einem Gutachten, welches die Entschädigungen rechtfertigen sollte. Der Schuss ging jedoch nach hinten los. Denn das Gutachten besagt, dass die Kohle-Konzerne nur dann gerecht entschädigt werden würden, würde man das Verbrennen von Kohle miteinberechnen, dass die Konzerne zwar beabsichtigten, aber nie genehmigt wurde.

Ein teurer Klageverzicht

Beachtlich ist, dass selbst eine interne Analyse im Auftrag des Wirtschaftsministeriums die durch den Ausstieg entstehenden Folgekosten auf rund 2,6 Milliarden Euro für RWE und rund 35 Millionen Euro für LEAG bezifferte. Die Bundesregierung bietet RWE mit 2,3 Milliarden Euro fast genau die zuvor berechneten Gelder als Entschädigung an. Der LEAG hingegen offeriert sie ganze 1,735 Milliarden Euro – also etwa 50-mal(!) so viel, wie zuvor vom Wirtschaftsministerium berechnet.

Im Klartext heißt das: Eine drohende Energiecharta-Klage war für die Milliardenzahlung an die LEAG maßgeblich. Sowohl aus Klima- als auch Steuerzahler:innensicht ist der Geldregen an die Energiekonzerne eine Katastrophe. Die Gelder fehlen künftig für sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen. Selbst die EU-Kommission ist sich sicher: Die vereinbarten 4,35 Milliarden Euro sind unzulässige Beihilfen. Aktuell unterzieht sie die Zahlungen deshalb einer Prüfung.

In einem offenen Brief von über 500 Klimawissenschaftler:innen und -schützer:innen  heißt es: „Die Drohung eines Investitionsschiedsverfahrens kann ausreichen, um eine Regierung davon abzuhalten, Gesetze im öffentlichen Interesse zu erlassen.“

Inmitten der Klimakrise erpressen Energiekonzerne Staaten mit Klagen vor privaten Schiedsgerichten. Der Ausstieg aus klimaschädlichen fossilen Energien wird so erschwert. Ein Zustand, der beendet werden muss! Der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas muss beschleunigt werden. Während sich Energiekonzerne von reichen Industriestaaten den Umstieg auf die Erneuerbaren mit Steuergeldern vergolden lassen, können sich ärmere Länder dieses Spiel schlicht und ergreifend nicht leisten.

Wir fordern daher:

  • Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag!
  • Steuergelder für eine sozial-ökologische Wende statt für fossile Konzerne!
  • Kohleausstieg bis spätestens 2030!

Weiterlesen:

Wie der Energiecharta- Vertrag die Kosten des deutschen Braunkohleausstiegs in die Höhe trieb

Der Vertrag über die Energiecharta

EuGH: Schiedsverfahren im Rahmen des Energiecharta-Vertrags illegal