Malmström erzählt Märchen

Hier aus aktuellen Gründen ein Beitrag von Campact.de zum Reformvorschlag der EU-Kommission in Sachen Privatjustiz:

Malmströms Pseudo-Gerichtshof ist weit entfernt von Rechtsstaatlichkeit

EU-Kommissarin Cecilia Malmström will in TTIP die umstrittenen Sonderklagerechte für ausländische Konzerne unter einem anderen Namen und leicht verändert beibehalten. Der Vorschlag ist weder rechtsstaatlich, noch verfassungskonform.

Änderungen in TTIP genügen nicht

Wird die Kritik zu groß, muss ein neuer Name her: Deshalb will Cecilia Malmström bei TTIP die, unter dem Kürzel ISDS berüchtigt gewordenen Konzernklagen, durch ein Investionsgerichts-System (ICS) ersetzen (ihr Vorschlag leider zunächst nur auf Englisch). Der Trick geht aus zwei Gründen nicht auf: Ein neuer Name und ein wenig Kosmetik genügen nicht. Und es reicht nicht, nur in TTIP etwas zu ändern – auf das CETA-Abkommen mit Kanada kommt es an!

Es ist bezeichnend, dass Frau Malmström die Regelungen zu ISDS im CETA-Abkommen mit Kanada unverändert lassen will. Vier Fünftel aller US-Unternehmen haben Niederlassungen in Kanada. Die US-Verbraucherschutzorganisation Public Citizen hat ausgerechnet, dass 41.000 Investoren die EU-Mitgliedsstaaten über CETA vor die alten privaten ISDS-Schiedsstellen zerren können. Damit sind sämtliche „Reformen“ Makulatur.

Die Hauptkritikpunkte bleiben

Aber selbst wenn CETA mit in die „Reform“ einbezogen würde, wäre das nicht genug. Denn der Hauptkritikpunkt bleibt: Die so genannten „Richter“ sind nicht unabhängig. Sie sind keine Berufsrichter und Nebentätigkeiten sind ihnen nicht verboten. Deshalb drohen Interessenskonflikte. Ihr Einkommen besteht aus den horrenden, im ICSID-Vertrag festgelegten Gebühren und wird umso höher, je mehr Klagen es gibt (bis auf eine kleine feste Entschädigung von 2.000.- €). Weil nur eine Seite klagen kann, nämlich die ausländischen Konzerne, besteht ein starker finanzieller Anreiz, die Klägerseite zu begünstigen.

Eine Sondergerichtsbarkeit für Investoren ist überflüssig

Die USA und Europa sind Rechtsstaaten, eine Sondergerichtsbarkeit für Investoren ist überflüssig. Will man einen Handelsgerichtshof unbedingt haben, so muss er rechtsstaatlich verfasst sein. Investoren dürfen nicht nur Rechte bekommen, sondern auch ihre Pflichten müssen dort durchsetzbar sein. Allen betroffenen Parteien muss gleiches Gehör und Zugang zu Rechtsmitteln gewährt werden. Eine Entschädigung für bloß erwartete künftige entgangene Gewinne ist für die Steuerzahler/innen zu kostspielig und muss deshalb weg. 4,8 Milliarden Euro für ein abgeschriebenes, marodes Atomkraftwerk – dieser Irrsinn des Falls Vattenfall gegen Deutschland darf sich nicht wiederholen!

Handelsgerichtshof wäre verfassungswidrig

Der von der EU-Kommission vorgeschlagene Handels“gerichtshof“ wäre wohl auch verfassungswidrig. Er müsste, wann immer er EU-Recht auslegt, diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vorlegen. Ansonsten würde gegen Artikel 23 des Grundgesetzes verstoßen. Die EU darf nämlich eine ihr übertragene Kompetenz (Auslegung von EU-Recht) nicht einfach weiter verlagern (auf Malmströms ICS-Gericht).

In Trippelschritten bewegt sich die Handelskommissarin von der privat organisierten Paralleljustiz für ausländische Konzerne zu so etwas wie Rechtsstaatlichkeit. Auf diesem Weg hat sie allerdings erst wenige Meter zurückgelegt. Bevor sie zehntausenden neuen Klägern den Weg zu teuren Kompensationsklagen gegen EU-Mitgliedsländer öffnet, muss Rechtsstaatlichkeit gewährleistet sein. Das bedeutet: Nacharbeiten, Frau Malmström, und mit Kanada erneut Verhandlungen über CETA aufnehmen!