Schwere Zeiten für CETA und TTIP

Ein optimistischer SPD-Chef, ein vorsichtiger SPD-Abgeordneter, undemokratische Pläne und immer mehr Widerstand gegen CETA: Bei den Freihandelsabkommen ist vieles in Bewegung geraten.

Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel nimmt den Mund mal wieder ziemlich voll. Er sei sich sicher, dass seine Partei dem Freihandelsabkommen CETA mit Kanada zustimmen werde. „Ich bin sicher, dass wir eine Mehrheit bekommen. Das ist einfach ein gutes Abkommen“, sagte Gabriel nach einem Treffen mit der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland am vergangenen Donnerstag in Berlin.

Der überarbeitete CETA-Vertrag, so heißt es in einem Beitrag des Online-Magazins Telepolis, sei eine „exzellente Messlatte“ für das umfassendere EU-USA-Abkommen TTIP. Nach heftigen Protesten aus der Bevölkerung hat die EU-Kommission die privaten Schiedsgerichte (ISDS), vor denen Konzerne Staaten verklagen können, durch Handelsgerichtshöfe ersetzt (die aber am System nichts ändern, wie vielfach kritisiert wurde). „Darunter geht nix. Ich könnte mir jedenfalls nicht vorstellen, einem Abkommen wie TTIP zuzustimmen, ohne dass wir mindestens den Standard einhalten, den wir mit Kanada erreicht haben.“ Bei der Reform habe man viel durchgesetzt und gleichzeitig eine hohe Messlatte für TTIP gelegt, so Sigmar Gabriel.

Ob Gabriel damit in seiner Partei durchkommt, wird ein SPD-Konvent Anfang Juni in Berlin zeigen. Bei dieser Tagung wird Gabriel für eine schnelle Ratifizierung von CETA werben. Ein Nein der SPD zu Ceta wäre eine große Fehlentscheidung. Die Sozialdemokratie dürfe nicht die Chance entgehen lassen, die künftigen Standards im Welthandel zu setzen. Kanada sei bereit, bald alle internationalen Arbeitsnormen zu erfüllen.

TTIP stockt

Ganz dieser Meinung sind aber nicht alle. Selbst der SPD-Vorsitzende des EU-Handelsausschusses Bernd Lange äußert Bedenken. Die US-Seite bewege sich kaum, wird er in einem NDR-Beitrag mit dem Titel „Platzt TTIP in Hannover?“ zitiert. Der Bericht des Norddeutschen Rundfunks geht davon aus, dass US-Präsident Barack Obama nicht mehr viel Zeit bleibt, um die Verhandlungen zu beenden. Sein Treffen mit Angela Merkel (zu dem auch der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi, der französische Präsident François Hollande und der britische Premier Davod Cameron erwartet werden) ist möglicherweise die letzte Chance, TTIP durchzusetzen.

Grund für die Zeitknappheit: Im November wählen die US-AmerikanerInnen einen neuen Präsidenten bzw. eine Präsidentin. Die möglichen NachfolgerInnen – Donald Trump und Hillary Clinton – sehen die Handelsabkommen jedoch kritisch. Trump ist aus Überzeugung dagegen, Clinton eher aus taktischen Gründen (weil sie die Linke gewinnen will, die Bernie Sanders bevorzugen). Obama müsste TTIP noch in seiner zweiten Amtszeit unter Dach und Fach bringen.

Allerdings ist nicht ausgemacht, dass Obama noch viel Wert auf einen Verhandlungsabschluss legt – in den USA ist die Zustimmung zu TTIP auf einem Tiefststand angekommen: Nur noch 15 Prozent der Bevölkerung begrüßen das transatlantische Abkommen, so eine Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Zudem verdichten sich die Hinweise, dass zumindest zwei EU-Staaten eine Ratifizierung von CETA, des Abkommens mit Kanada, ablehnen. So hat die Regierung der belgischen Provinz Wallonien bereits klar gemacht, dass sie CETA ablehnt und eine Ratifizierung blockieren werde. Die belgische Regierung kann aber ohne Zustimmung der Regionen nicht handeln; das schreibt auch der Südkurier.

Scheitert also CETA? Das ist noch nicht ausgemacht. Denn: Es kann auch vorläufig in Kraft  treten. Aber immerhin: Die Klage gegen CETA, für die auch das Konstanzer Bündnis Unterschriften gesammelt hat, ist eingereicht; das meldete vor ein paar Tagen der Westdeutsche Rundfunk. Es tut sich also einiges.