Ceta ist durch? Von wegen!

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Die Medien waren sich vor kurzem mal wieder ziemlich einig. Zuerst warnten sie vor Spielverderbern, die mutwillig „das beste Freihandelsabkommen der Welt“ (so der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel) gefährden. Dann beklagte der Medienmainstream (von „Südkurier“ über „Süddeutsche“, FAZ bis hin zur ARD), dass einzelne Störenfriede das Image der EU „ruinieren“ würden, dass eine kleine Region ganz Europa in „Geiselhaft“ genommen hätte, dass die Europäische Union kurz vor dem Scheitern stehe. Und schließlich feierten sie die Vertragsunterzeichnung, als sei CETA bereits ausgemachte Sache.

Was war geschehen? Die beiden belgischen Regionen Wallonien und Brüssel hatten es abgelehnt, das geplante Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada einfach so hinzunehmen. Darüber müsse erst verhandelt werden, sagte der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette. Und hob in den Gesprächen mit der belgischen Zentralregierung die Gefahren hervor, die Millionen in Europa ebenfalls sehen:

● die drohende Absenkung von Verbraucherstandards (Beispiel: Gentechnik);

● die Risiken für die heimische Landwirtschaft (etwa durch die Einführung industriell hergestellter Agrargüter);

● die Aufweichung des in Europa geltenden Vorsorgeprinzips (wonach Produkte erst auf den Markt kommen dürfen, wenn sie nachgewiesenermaßen unschädlich sind);

● und den sogenannten Investorenschutz, der es Großkonzernen erlaubt, Staaten oder Regionen zu verklagen, wenn diese Verordnungen oder Gesetze zum Schutz der Bevölkerung erlassen (was ja auch der Deutsche Richterbund und fast alle JuristInnen-Vereinigungen ablehnen).

Erst nachdem sich Wallonien und die Großregion Brüssel mit der belgischen Regierung darauf geeinigt hatten, dass wesentliche Änderungen am CETA-Vertrag vorgenommen werden müssen, flog Kanadas Premier Justin Trudeau zur feierlichen Unterzeichnung von CETA ein. Zur Unterzeichnung wohlgemerkt, nicht aber zur Verabschiedung. Denn für diese sind in demokratischen Staaten weiterhin die Parlamente zuständig, nicht die Regierungen. Das gilt auch für CETA: Nur wenn alle parlamentarischen Gremien in allen 28 EU-Staaten den Vertrag ratifizieren, ist er völkerrechtlich bindend.

CETA ist also noch lange nicht durch.

Die BefürworterInnen des Vertrags (Unternehmerverbände und neoliberal orientierte PolitikerInnen) müssen noch viele Hürden überwinden:

● Zuerst muss das EU-Parlament zustimmen. Erst danach kann der Vertrag „vorläufig angewandt“ werden. Und das auch nur teilweise.

● Danach entscheiden der Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht, ob CETA mit europäischen Recht und dem Grundgesetz vereinbar ist.

● In Österreich und den Niederlanden laufen derzeit Initiativen für einen Volksentscheid zu CETA.

● Auch in Deutschland gibt es ähnliche Volksbegehren: in Bayern und in Schleswig-Holstein. Mit ihnen will ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis die jeweilige Landesregierung zwingen, im Bundesrat gegen CETA zu votieren. Im Bundesrat, der bisher bei allen Handelsabkommen mit entschieden hat, kommt es auch auf die Grünen an: Da sie an der Mehrzahl der Landesregierungen beteiligt sind, könnten sie CETA stoppen.

● Dann sind da noch die Parlamente der anderen 27 EU-Mitgliedsstaaten. Lehnt auch nur eine Volksvertretung die Ratifizierung des Vertrags ab, ist CETA tot. Belgien zum Beispiel hat auf Druck der Teilregionen Wallonien und Brüssel klar gemacht, dass CETA nicht ratifizieren werde, wenn der Investorenschutz mit seinem Klagerecht für Konzerne im Vertrag bleibt.

● Und nicht zuletzt läuft in Kanada seit Ende Oktober eine Klage gegen die Regierung, weil diese das Parlament nicht umfassend genug in die CETA-Verhandlungen einbezogen hat, die Rechte der Provinzen missachtet und mit dem Investorenschutz eine Paralleljustiz etablieren will – siehe die Datei gerichtsdokument-kanada.

Mit anderen Worten: Die Auseinandersetzungen um CETA haben erst begonnen.

Pit Wuhrer