Wegen Investorklage: Krebsmedikament bleibt teuer

Hier eine Information von campact.de:

Kolumbien will die Kosten für ein Krebs-Medikament senken. Doch der Pharma-Gigant Novartis droht dem Staat mit einer Klage unter dem bilateralen Investitionsschutzabkommen Schweiz-Kolumbien. Damit steht dieser Plan jetzt auf der Kippe.

Von Anna Cavazzini

Der Zugang zu Medikamenten ist lebenswichtig, vor allem bei Krankheiten wie HIV/AIDS oder Krebs. Insbesondere Entwicklungsländer kämpfen jedoch mit hohen Preisen, die von der Pharma-Industrie vorgegeben werden. Strikte Regeln zu geistigem Eigentum im internationalen Handelsregime erschweren die kostengünstige Nachahmung von Medikamenten. Jedoch lassen die Regeln der Welthandelsorganisation (WHO) zu, dass Entwicklungsländer Maßnahmen ergreifen können, die für die öffentliche Gesundheit notwendig sind. Dazu zählt die Erteilung von Zwangslizenzen. Diese ermöglichen die Produktion von Generika-Medizin im Interesse der öffentlichen Gesundheit. Von dieser Regel wollte die kolumbianische Regierung Gebrauch machen. Denn die Kosten für den Krebs-Wirkstoff Imatinib (in Kolumbien unter dem Namen Glivec auf dem Markt) sind enorm.

Kolumbien will Preis um 50 Prozent senken

Das Medikament Imantinib wird seit seiner Einführung im Jahr 2001 für die Behandlung von Leukämie verwendet. Ursprünglich wurde Imatinib in Kolumbien als Generika verkauft, bis es 2012 nach einem langen Rechtsstreit zu einer Patentvergabe kam. Mittlerweile belaufen sich die Kosten auf über 15.000 US Dollar pro Patient im Jahr. Bereits 2014 forderte eine Koalition aus Nichtregierungsorganisationen die kolumbianische Regierung dazu auf, das Patent für Imantinib als “öffentliches Interesse” einzustufen und eine Zwangslizenz zu erteilen. So könnten andere Firmen das Medikament kostengünstiger herstellen. Im Februar 2016 sprach sich ein Ausschuss des kolumbianischen Parlaments für die Einordnung des Krebs-Medikaments als öffentliches Interesse aus und ein paar Monate später kündigte auch die Regierung diesen Schritt an. Das kolumbianische Gesundheitsministerium schlug dem Pharmaunternehmen Novartis vor, eine Preissenkung um 50 Prozent für das Krebs-Medikemant zu akzeptieren. Das Ministerium wies auf die Möglichkeit hin, eine Zwangslizenz zu erteilen, sollte das Unternehmen die Preissenkung nicht akzeptieren.

Konzern droht mit Klage

Einige Tage nach der verneinenden Antwort von Novartis an die Regierung erging eine offizielle Klagemitteilung an das kolumbianische Handelsministerium (Quelle: Investment Arbitration Reporter). Eine erfolgreiche Klage vor einem privaten Schiedsgericht bringt im Normalfall hohe Entschädigungssummen für den beklagten Staat mit sich. Bisher ist diese Mitteilung nicht öffentlich. Hinzu kommt, dass die US-amerikanische und die Schweizer Regierung Druck auf Kolumbien ausgeübt haben, um die Regierung von der Erteilung einer Zwangslizenz abzuhalten. Die Schweizer wandte sich in einem Brief an die kolumbianische Regierung, um diese – mit Verweis auf die bisherige enge wirtschaftliche Zusammenarbeit – von der Einordnung des Patents als öffentliches Interesse abzuhalten. Die USA gingen sogar so weit, mit dem Entzug von Geldern für den Friedensprozess zu drohen, sollte Kolumbien nicht einlenken. Die kolumbianische Regierung hat seither die Pläne zur Senkung der Kosten für das Medikament auf Eis gelegt.

Für eine internationale Handels- und Investitionspolitik ohne einseitige Klagemöglichkeiten

Dies ist der erste bekannte Fall, bei dem ein Pharmakonzern das System der privaten Schiedsgerichtsbarkeit benutzt, um gegen die Preissenkung eines lebensrettenden Medikaments vorzugehen. Er zeigt – erneut – wie gefährlich solche Investoren-Klagen für die Allgemeinheit sind. Kein Politikbereich ist vor potentiellen Klagen sicher, z.B. Fracking-Verbote, Abschaltung von Atommeilern und jetzt auch noch Krebs-Medikamente. Der Fall zeigt auch, dass die Androhung einer Klage oft ausreicht, um für Investoren unliebsame Politikmaßnahmen zu blockieren („regulatory chill“). Deshalb dürfen zukünftige Abkommen diese einseitigen Klagemöglichkeiten nicht enthalten und bestehende Abkommen müssen nachverhandelt werden. Aktuell steht das EU-Kanada-Abkommen CETA vor der Tür. Es enthält die gefährlichen Klagemöglichkeiten für Investoren. Klagen drohen dann nicht nur von kanadischen Unternehmen, sondern auch von großen US-Firmen, die über Niederlassungen in Kanada ebenfalls klagebefugt werden.

Das Europaparlament wird Anfang Februar 2017 über CETA entscheiden. Damit besteht jetzt die Chance, einen Vertrag abzulehnen, der die gefährlichen Klagemöglichkeiten massiv ausdehnen würde.