Shinzo Abe und Jean-Claude Juncker in Brüssel
TTIP, CETA, TiSA, jetzt Jefta: Die Abkürzungen wechseln, doch die Freihandelselite wiederholt jedes Mal die gleichen Fehler. Als Grund führt sie ausgerechnet Trump an.
Kommentar von Petra Pinzler, Wochenzeitung Zeit
Erst gab es TTIP. Dann Ceta und Tisa. Und jetzt kommt Jefta – und für die Leser dieses Kommentars ein dickes Lob: Wenn Sie nach all den Abkürzungen noch nicht aus der Lektüre ausgestiegen sind, dann haben sie eine entscheidende Hürde genommen und eine Strategie der Handelspolitiker unterlaufen. Den Versuch, Sie, viele andere Bürger und vor allem die politischen Gegner durch immer neue Abkürzungen so zu ermüden, dass das Interesse einfach erlischt. Um dann in der Handelspolitik unbeobachtet von einer kritischen Öffentlichkeit weitermachen zu können wie vorher. Wie immer.
Genau das passiert derzeit in Brüssel. Die EU-Kommission verhandelt mit den Japanern über das Freihandelsabkommen Jefta und macht dabei exakt die gleichen alten Fehler wie beim unfertigen europäisch-amerikanischen TTIP-Abkommen oder bei Ceta, das Europa mit Kanada abgeschlossen hat. Wieder wird im Geheimen verhandelt. Wieder kommen Dokumente nur an die Öffentlichkeit, weil sie geleakt werden (diesmal hat die taz sie dankenswerterweise veröffentlicht). Und wieder steckt in den Textentwürfen der gleiche alte Mist: Die EU plant auch mit Japan „regulatorische Kooperation“, die die Rechte der Parlamente aushöhlen würde. Wieder heißt es, dass die andere Seite, also Japan, unbedingt undurchsichtige Schiedsgerichte will. Das Gleiche wurde lange fälschlich auch über Kanada behauptet.
Schlimmer aber noch ist: Wenn man in diesen Tagen mit deutschen und europäischen Handelsexperten spricht, sind die allermeisten sehr einverstanden mit Inhalt und Form der Verhandlungen mit Japan. Sie argumentieren so: Trump habe auch den europäischen Freihandelsgegnern glücklicherweise den Wind aus den Segeln genommen. Weil er ebenfalls gegen die Abkommen sei, müssten auch die Letzten einsehen, wohin der Widerstand gegen den Freihandel führe: in den trumpschen Irrsinn.
Dass diese Gleichsetzung ganz unterschiedlicher politischer Lager höchst unlauter ist, dass sie so die mehrheitlich progressiven europäischen Demonstranten, die in Abkommen mehr Schutz für Umwelt und Menschen verankert sehen wollen, mit rechten Amerikanern gleichsetzen, die sogar den Klimawandel leugnen – das kümmert die Handelselite wenig. Warum denn auch genauer hinsehen, wenn es das eigene Weltbild (wir sind die Guten) erschüttern könnte.
Noch etwas ist grundfalsch an der Haltung der Handelselite: Nicht nur geht sie davon aus, dass die EU ihre Handelsabkommen jetzt mehr oder weniger so weitertreiben sollte wie vor den TTIP-Protesten. (Zwar nicht mit den USA, die fallen nun ja erst mal aus. Aber mit dem Rest der Welt.) Sie sollte das sogar forcieren und nun den Job Amerikas übernehmen und für globalen Freihandel kämpfen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das bei ihrem Treffen mit dem japanischen Präsidenten Shinzo Abe auf der Cebit in Hannover ganz offen gesagt: Deutschland fühle sich hier während der G20-Präsidentschaft besonders verpflichtet. Wenn nun Obamas USA ausfallen, will Merkel eben mehr Freihandel mit Abes Japan. Die Männer wechseln, das Ziel bleibt das gleiche.
Gute Handelsabkommen? Gerne!
Das ist Irrsinn. Natürlich braucht die Welt neue Regeln für den Handel. Und natürlich ist es nicht per se schlecht, wenn manche Zölle fallen. Aber wenn wir in den vergangenen Jahren doch eines gelernt haben, dann, dass Handel kein Selbstzweck sein darf. Dort, wo er Umwelt und Menschen gefährdet, müssen die Regeln geändert werden. Genau darum drehte sich die Debatte während der TTIP-Proteste: um die Frage, wie gute Handelsabkommen aussehen. Und genau das müsste doch die Rolle der EU sein: bessere Regeln für die Globalisierung schreiben. Dann gerne auch mit Japan.
Leider passiert genau das immer noch nicht. Die Geheimdokumente der Jefta-Verhandlungen belegen: Den Handelspolitikern fällt in leichten Varianten immer wieder der gleiche alte Mist ein. Immer noch hoffen sie, dass es keiner merkt. Das ist gerade in einer Zeit traurig, in der doch eine neue proeuropäische Bewegung entsteht. Viele Bürger sind längst viel weiter. Sie schätzen an Europa gerade die Demokratie und die Offenheit. Den vergleichsweise hohen Schutz von Umwelt und Menschen. Genau das könnte man doch wunderbar nutzen, um die Welt tragen. Dann gern auch versteckt hinter Abkürzungen.