EU setzt auf neue Handelspakte

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Am Mittwoch will die EU-Kommission ein Stategiepapier vorlegen, das ihre künftige Handelspolitik skizziert. Dass Brüssel aus dem TTIP-Debakel gelernt hat, steht nicht zu erwarten.

Dieser Artikel erschien am 9. Mai in der österreichischen Tageszeitung Der Standard.

Die Zeiten, in denen Handelspolitik nur eine kleine Gruppe von Ökonomen interessiert hat, sind vorbei. Das geplante Freihandelsabkommen TTIP und der wiederaufkommende Protektionismus in den USA und in Großbritannien haben großes öffentliches Interesse ausgelöst und zu regen Debatten über Globalisierung geführt.

Die EU-Kommission wird am Mittwoch ein Strategiepapier vorlegen, in dem sie versuchen will, einige Lehren aus den Diskussionen der vergangenen Monate zu ziehen. Viel ist darüber gesprochen worden, dass Handelsliberalisierungen zwar zu mehr Wohlstand in Schwellenländern, zugleich aber zu Verwerfungen in Industriestaaten geführt haben.

Doch welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen? Die Kommission will künftig, dass Handelspolitik in Europa nicht mehr isoliert betrachtet wird. Soll heißen: Im Rahmen der Koordination der europäischen Wirtschaftspolitik soll mehr und tiefgehender auf die Auswirkungen der Globalisierung eingegangen werden.

Diskussionsprozess einleiten

Die Kommission will noch keine Gesetzesänderungen vorschlagen, sondern einen Diskussionsprozess einleiten, heißt es aus Brüsseler Diplomatenkreisen. Sicher ist, dass die EU-Behörde trotz aller Kritik an ihrem Ziel, rasch möglichst viele bilaterale Handelsabkommen abzuschließen, festhalten will. Im Fokus stehen dabei nicht länger die USA.

Die EU verhandelt derzeit mit Japan und Mexiko, bald sollen Gespräche mit Australien und Neuseeland starten. Ziel ist es dabei Abkommen abzuschließen, in deren Rahmen nicht nur die ohnehin meist niedrigen Zölle im Warenverkehr gestrichen werden. Auch nichttarifäre Handelshemmnisse sollen fallen. Darunter fallen technische Vorgaben für die Zulassung von Produkten, die Palette reicht von Spielzeug bis hin zu Pkws. In den Abkommen verankert werden sollen auch Investitionsschiedsgerichte. Der gesonderte juristische Schutz für ausländische Investoren hatte zu Kritik vieler NGOs geführt. Umfassende Handelsabkommen des neues Typs gibt es bereits mit Südkorea, aber auch mit Vietnam und Singapur (beide noch nicht in Kraft).

Daneben verhandelt die Kommission über ein reines Investitionsschutzabkommen mit China.

Mit Mexiko schreiten die Gespräche laut EU-Diplomaten rasch voran. So existiert eine politische Absichtserklärung beider Seiten, noch bis Jahresende zu einem Abschluss zu kommen. Der Druck der US-Regierung unter Trump auf Mexiko dürfte dazu beitragen, dass die Mexikaner offen für neue Partnerschaften sind.

Doch Freihandelsgespräche gestalten sich fast immer langwieriger als geplant und die Ergebnisse fallen oft bescheidener aus als politisch erhofft. Mit Japan etwa hatte man schon für Ende 2016 eine Einigung erwartet, nun wird ein Abschluss der Gespräche für Mitte 2017 für möglich gehalten.

Der Brexit schafft neue Probleme. Mit dem Austritt Großbritanniens müssen Ceta, aber auch die Abkommen mit Vietnam und Singapur geändert werden, weil ein EU-Land wegfällt. Im besten Fall wäre das eine Formalität, die Großbritannien betreffenden Bestimmungen werden gestrichen. Im schlimmsten Fall könnten die Partnerländer neue Forderungen erheben. Großbritannien ist die zweitgrößte Volkswirtschaft in der EU. Ohne Briten ist ein Vertrag mit der EU weniger interessant, und eigene Konzessionen sind umso schmerzhafter.

TTIP vor der Auferstehung?

Die Einschätzung zu TTIP in Brüssel lautet, dass es nicht wiederbelebt wird. US-Handelsminister Wilbur Ross signalisierte zuletzt zwar, dass es zu einer Wiederaufnahme der Gespräche kommen kann, doch das Umfeld hat sich radikal geändert.

Eines der wichtigsten Ziele der EU war, mit TTIP in den US-Markt für öffentliche Ausschreibungen hineinzukommen. Das Problem betrifft die Bundesstaaten: Auf diese entfallen 60 Prozent des öffentlichen Auftragvolumens in den USA. Doch viele US-Bundesstaaten, 23 von 50, erlauben im Gegensatz zu Regionen in der EU ausländischen Firmen keinen Zugang zu Auftragsvergaben.

Die Amerikaner sollen bei den Verhandlungen über diesen Punkt schon in der Zeit von Präsident Barack Obama nicht nachgiebig gewesen sein. Mit Trump dürfte eine Einigung unmöglich werden, ist er doch mit dem Wahlspruch „Buy American“ gewählt worden.

Über allem schwebt schließlich das Damoklesschwert Brexit: Sollte die EU-Kommission mit den Briten beginnen ein Freihandelsabkommen auszuhandeln, dürfte das Unterfangen wenig Ressourcen für die Gespräche mit anderen Ländern übriglassen. (szi, 9.5.2017)