Noch mehr Gift auf unseren Tellern?

„Wir haben es satt“-Demo am 19. Januar in Berlin

Wohin steuert die EU mit ihrer Agrar- und Handelspolitik? Welchen Einfluss haben Brüssel und Berlin auf unser Essen? Was bedeutet das für die Umwelt, das Klima, die Artenvielfalt? Und wie können wir uns wehren? Darüber informiert eine Veranstaltung des Konstanzer Bündnisses für gerechten Welthandel mit der Bäuerin Anneliese Schmeh aus dem Linzgau.

Am 19. Januar demonstrierten rund 35.000 Menschen in Berlin unter dem Motto „Wir haben es satt!“; in Tübingen waren am selben Tag Tausende unterwegs; auch in Konstanz protestierten rund 60 BürgerInnen gegen die Agrarpolitik der EU und der deutschen Regierung.

Basis der sogenannten Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU sind zwei Säulen: Einerseits Direktzahlungen an LandwirtInnen und GrundbesitzerInnen – sie machen derzeit über 75 Prozent des GAP-Budgets von jährlich 58 Milliarden Euro aus. Andererseits (seit 1999) Zahlungen für den „Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums“, der für die Umwelt-, Klimaschutz- und Naturschutzmaßnahmen sowie Agrarbetriebe in benachteiligten Gebieten bestimmt ist – und demnächst zusammengestrichen werden soll.

Die Folgen der Direktzahlungen der ersten Säule kann man überall sehen: Da sie nach Fläche, also pro Hektar, fließen, sind Großbetriebe und Großgrundbesitz klar im Vorteil – sie fördern mithin die industriell betriebene Landwirtschaft, während die kleinbäuerlichen Höfe das Nachsehen haben.

Rendite statt Gemeinwohl

Damit nicht genug: Jetzt hat die EU-Kommission ein neues Ziel ausgegeben: Bis zum Jahr 2050 soll sich die Agrarproduktion im EU-Raum verdoppeln. Da sich aber die landwirtschaftlich bebaute Fläche kaum erhöhen lässt, geht diese Steigerung notgedrungenermaßen mit einer Intensivierung der Produktion einher. Und das bedeutet: Noch mehr schnell erzeugtes Fleisch, noch mehr Düngemitteleinsatz, noch mehr Pestizide und Insektizide, noch größere Höfe und größere Ställe mit dicht bei dicht stehendem Vieh. Dabei deckt Europas Produktion landwirtschaftlicher Güter seit den 1970er Jahren den Bedarf. Wohin also mit den Lebensmitteln? Natürlich in den Export – der dank der Subventionierung der europäischen Landwirtschaft (sie kostet uns pro Kopf 144 Euro im Jahr) die zumeist kleinbäuerlichen ErzeugerInnen im Globalen Süden verdrängt.

Damit dies auch funktioniert, strebt die EU möglichst viele Freihandelsabkommen an, wie etwa die geplanten Economic Partnership Agreements (EPAs) mit vielen afrikanischen Staaten oder das vor kurzem ratifizierte Japan-EU-Freihandelsabkommen JEFTA, das eine fast ungehinderte Ausfuhr landwirtschaftlicher Güter garantiert – zum Schaden der japanischen KleinbäuerInnen.

Aktivistin auf der Anti-Monsanto-Demo 2017 in Bregenz

Die europäische Agrarpolitik und die EU-Handelspolitik sind mithin zwei Seiten derselben Medaille. Beide orientieren sich nicht an dem, was vielen Menschen wichtig ist: gesunde Lebensmittel, eine  artgerechte Haltung von Tieren, Schutz von Gewässern, Vögeln und Insekten. Sondern an einer möglichst hohen Rendite für die milliardenschweren Investitionen, die derzeit in die Landwirtschaft fließen. Dabei wäre Geld für eine andere Agrarpolitik im Haushalt der EU durchaus vorhanden; es könnte beispielsweise genutzt werden, um die Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft zu honorieren. Stattdessen betreibt die Kommission jedoch eine Politik, die dafür sorgt, dass zentrale, von der EU selbst gesteckte Ziele nicht erreicht werden: den Schutz des Klimas, der Böden und Gewässer, der verantwortungsbewussten Nutzung von Ressourcen, fairer Außenhandel, globale Gerechtigkeit.

Folgen und Gegenwehr

Was bedeutet all das für die kleinen Betriebe auch hier in der Region? Steht ihnen ein noch intensiverer Verdrängungswettbewerb bevor, den aller Wahrscheinlichkeit nach die kapitalkräftigeren Agrarunternehmen gewinnen? Bleibt die ökologische Landwirtschaft auf der Strecke? Darüber informiert die Bäuerin Anneliese Schmeh vom Hagenweilerhof bei Überlingen, die aktives Mitglied der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ist. Sie wird anhand konkreter Beispiele erläutern, mit welchen Problemen die kleinen naturnahen Höfe in der Region zu kämpfen haben, wie ihr die Bevorzugung der Agroindustrie zusetzt und welche Gegenmaßnahmen denkbar sind. Was helfen beispielsweise Konzepte wie die der Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi)? Welche Rolle könnten TierschützerInnen im Kampf für eine nachhaltige Landwirtschaft spielen? Und wie beurteilt Schmeh die Arbeit der grün-schwarzen Landesregierung?

Ort: Treffpunkt Petershausen, Georg-Elser-Platz 1, 78467 Konstanz. Beginn: 19 Uhr.

Die Veranstaltung des Konstanzer Bündnisses für gerechten Welthandel wird mitgetragen von seemoz e.v., der AbL, den TierschützerInnen von Animal Pride und der Konstanzer Gruppe der Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi).

Mehr Informationen zum Thema bietet der gerade von der Heinrich-Böll-Stiftung, dem BUND und Le Monde diplomatique veröffentlichte Agrar-Atlas 2019.