Das EuGH-Urteil zur EU-Investitionspolitik

Achmea-Hauptquartier in Leiden/NL. Foto: Wikimedie Commons

Der Verein PowerShift hat den Rechtsexperten Markus Krajewski um eine Bewertung des EuGH-Urteils über die EU-Investitionsschutzabkommen gebeten. Sein Befund: Der Entscheid darf nicht ohne Folgen bleiben. Wir zitieren den PowerShift-Text.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 6. März 2018 in der Rechtssache Achmea klargestellt, dass Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten (sog. Intra-EU-BITs), die über eine Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) verfügen, gegen EU-Recht verstoßen. Dies wird Auswirkungen auf den Energiecharta-Vertrag und Investitionsschutzabkommen der EU, wie etwa CETA oder den geplanten Multilateralen Investitionsgerichtshofs (MIC) haben. Vor diesem Hintergrund dürfte CETA nicht ratifiziert werden und alle anderen EU-Abkommen mit entsprechenden Streitbeilegungsklauseln nach dem derzeitigen Stand nicht unterzeichnet oder weiterverhandelt werden. Dies bringt neuen Schwung in den Kampf gegen die Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) in den Handelsverträgen der EU.

Gegenstand des EuGH-Urteils in der Rechtssache Achmea ist eine Streitigkeit der Slowakischen Republik mit dem Krankenversicherer Achmea. Dieser hatte die Slowakische Republik auf 22,1 Mio. Euro Schadensersatz verklagt, weil sie die Liberalisierung des privaten Krankenversicherungsmarkts teilweise rückgängig gemacht hat. Die Slowakische Republik hat von Anfang an die Europarechtswidrigkeit von Investor-Staat-Schiedsverfahren beanstandet.

In der neuen PowerShift-Publikation „Die Auswirkungen des Achmea-Urteils des EuGH auf die EU-Investitionspolitik“ kommt Prof. Dr. Markus Krajewski (Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) zu dem Ergebnis:

  1. Unionsinterne BITs sind EU-rechtswidrig
  2. EU-interne Verfahren auf der Basis des Energiecharta-Vertrages beeinträchtigen auch Autonomie des EU-Rechts
  3. EU-Investitionsabkommen wie das CETA könnten auch gegen EU-Recht verstoßen

Bestätigt von dieser juristischen Bewertung – und unabhängig von weiteren EuGH-Entscheidungen – fordert PowerShift nun schnelle politische Schlussfolgerungen aus dem Achmea-Urteil:

  1. Die Bundesregierung muss ihre bisherigen Politik zu den Investitionsschiedsgerichten revidieren und als ersten Schritt schleunigst die noch bestehenden 14 Intra-EU-BITs Deutschlands kündigen!
  2. Auch wenn sich das EuGH-Urteil zunächst nur explizit auf die EU-internen BITs bezieht, sollten u.E. auch die weiteren Bilateralen Investitionsschutzabkommen mit aussereuropäischen Ländern gekündigt werden.
  3. Der Energiecharta-Vertrag – der u.a. Vattenfall seine Investitionsschutzklage gegen den Atomausstieg ermöglichte – muss grundlegend revidiert werden. Die im Energiecharta-Vertrag enthaltenen Regeln zum Investitionsschutz und zu den Investitionsschiedsgerichten müssen gestrichen werden! Dafür sollte sich Deutschland im laufenden Review-Prozess des Energiecharta-Vertrages einsetzen – und ansonsten den schnellen Austritt aus diesem Vertrag ankündigen.
  4. Freihandelsabkommen wie CETA mit seinen Konzernklagerechten dürfen nicht ratifiziert werden. Deutschland sollte die Frage Belgiens an den EuGH zur EU-Rechtmässigkeit von CETA unterstützen und anknüpfend an das Achmea-Urteil öffentlich erklären, dass es CETA für nicht kompatibel mit EU-Recht hält.
  5. Die begonnenen EU-Arbeiten zu einem globalen Konzernklagesystem („Multilateraler Investitionsgerichtshof“) und das entsprechende EU-Mandat sind zu widerrufen.

Das Faltblatt von PowerShift zur Einschätzung von Markus Krajewski gibt es hier: PowerShift_BriefingPaper_Krajewski-Folgen-AchmeaUrteil-EU-Investitionspolitik-3-2018